Bedenken gegenüber dem Biosimilar-Austausch in Apotheken

Seit geraumer Zeit hat der Gemeinsame Bundesausschuss den gesetzlichen Auftrag, die Substitution von Biosimilars in Apotheken zu regeln.

Als Dachverband der Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen in Deutschland sieht die BAG SELBSTHILFE wir diesen Auftrag sehr kritisch, da die Substitution in Arztpraxen ohnehin bereits möglich ist und da es in medizinischer Hinsicht keine Mehrwerte, sondern eher Risiken gibt, wenn die Apothekerinnen und Apotheker zusätzlich involviert werden.

 

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 11. Juni 2025 das Stellungnahmeverfahren zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie zum Austausch von biotechnologisch hergestellten biologischen Fertigarzneimitteln durch Apotheken gestartet.

Die Patientenvertretung beim G-BA hat auch in ihren Beschlussvorschlägen zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie deutlich gemacht, dass gerade der mehrfache Austausch von Biosimilars mit Risiken verbunden ist, die bislang in keiner Weise abgesichert sind. 

Außerdem kommt es beim zusätzlichen Austausch in der Apotheke zu empfindlichen Informationsdefiziten bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, was ebenfalls ein massives Risiko für die Patientensicherheit darstellt.

Während Wirtschaftlichkeitsüberlegungen im solidarisch finanzierten Gesundheitssystem grundsätzlich berechtigt sind, bedarf der Umgang mit biologisch hergestellten Arzneimitteln besonderer Sorgfalt. Ein Biosimilar ist ein komplexes, in lebenden Zellen hergestelltes Arzneimittel, und – im Gegensatz zu Generika – nicht identisch mit seinem Referenzpräparat, sondern nur ähnlich. Eine Gleichsetzung mit Generika im Rahmen der Substitutionsregelungen ist daher, insbesondere angesichts bestehender Lieferengpässe und begrenzter wissenschaftlicher Evidenz zu mehrfachen Präparatewechseln, mit erheblichen Risiken verbunden. Für eine sichere und nachhaltige Umsetzung bedarf es zusätzlicher, medizinisch und versorgungstechnisch fundierter Kriterien, um die Versorgung von Betroffenen nicht zu gefährden.

Handlungsempfehlungen 

Im Hinblick auf eine sichere und sachgerechte Umsetzung der Substitution werden im Folgenden drei Empfehlungen ausgesprochen: der ärztlich begleitete Informationsaustausch, die Begrenzung mehrfacher Wechsel und der Verzicht auf exklusive Rabattverträge.

  1. Ärztliche Begleitung sicherstellen: Substitution auf Arztapplikation beschränken und Wechsel dokumentieren

    Studien haben zwar einerseits gezeigt, dass eine Umstellung von Originalpräparat auf Biosimilar mit guten Ergebnissen möglich ist. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass bis zu 30 Prozent der Patientinnen und Patienten die Therapie nach einem Austausch abbrechen. Zurückgeführt wird dies auf den Nocebo-Effekt, also die Erwartung, dass wegen des „schlechteren“ Medikaments ein negatives Ereignis eintritt. Dieser Effekt führt – analog zum positiven Placebo-Effekt – zu negativen Symptomen, die sowohl subjektiver als auch objektiver Natur sein können. Als wirksamstes „Gegenmittel“ gegen diesen Nocebo-Effekt wird von internationalen und nationalen Organisationen ein intensives Gespräch zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patientin und Patient angesehen. Eine solche vertiefte Kommunikation über Sinn und Zweck des Austauschs sowie die therapeutische Gleichwertigkeit ist im Rahmen einer Substitution in der Apotheke jedoch nicht in vergleichbarer Weise möglich.

    Ein sicherer Informationsaustausch ließe sich gewährleisten, wenn die Substitution auf Produkte beschränkt würde, die ärztlich appliziert werden – Produkte zur Selbstanwendung wären entsprechend auszunehmen. Darüber hinaus sollten sämtliche Präparate-Wechsel systematisch erfasst werden.

  2. Multiple Switches ausschließen: Substitution auf Erstverordnung beschränken, ärztliche Prüfung voraussetzen

    Ein einmaliger Wechsel vom Referenzbiologikum zu einem Biosimilar kann unter bestimmten Voraussetzungen auf Basis gesicherter Daten wirtschaftlich vertretbar sein. Für mehrfache Wechsel zwischen verschiedenen Biosimilars hingegen fehlt bislang eine belastbare Evidenz, die eine unbedenkliche Therapiefortführung ohne Wirkverlust oder unerwartete Nebenwirkungen belegen könnte. Insbesondere chronisch kranke Menschen, die gut auf eine bestehende Therapie eingestellt sind, könnten durch Wirkverlust, unerwartete Nebenwirkungen, Nocebo-Effekte und Applikationsfehler beim Umgang mit unterschiedlichen Spritzen und Pens Wirksamkeitsverluste oder sogar Schäden erleiden. Eine Substitution sollte daher nur bei der Erstverordnung möglich sein und in der Folge nur in begründeten Ausnahmefällen und nach entsprechender ärztlicher Prüfung.

  3. Exklusive Rabattverträge vermeiden: Versorgungssicherheit gewährleisten

    Apotheken sind gesetzlich verpflichtet, Arzneimittel nach wirtschaftlichen Vorgaben abzugeben – sei es durch die Auswahl eines der preisgünstigsten Präparate oder durch die Bindung an ein rabattiertes Produkt. Besonders eng wird dieser Handlungsspielraum bei Exklusivverträgen, bei denen eine Krankenkasse mit nur einem Hersteller einen Rabattvertrag schließt. In diesen Fällen ist die Apotheke verpflichtet, ausschließlich dieses eine Präparat abzugeben – unabhängig von individuellen Therapieerfordernissen.

    Diese Einschränkung kann sich bei biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln besonders nachteilig auswirken: Ihre Herstellung ist komplex, zeitintensiv und nicht kurzfristig skalierbar. Die Erfahrungen mit Generika zeigen, dass exklusive Vertragsmodelle das Risiko von Lieferengpässen erhöhen – bei Biosimilars würde sich dieses Risiko noch verstärken.

Zurück