Selbsthilfe-Netzwerk

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in Deutschland eine beeindruckende Struktur der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe herausgebildet.

Man schätzt, dass es zwischen 70.000 und 100.000 Selbsthilfegruppen zu den unterschiedlichsten Erkrankungen und Beeinträchtigungen gibt. Allein auf der Bundesebene gibt es mehr als 300 bundesweit agierende Selbsthilfeorganisationen. Auch auf der Landesebene existieren entsprechende regionale Verbandsstrukturen.

Die Arbeitszusammenhänge der Selbsthilfe beziehen sich aber nicht nur auf die Zusammenarbeit von Selbsthilfegruppen in Landes- und Bundesorganisationen eines bestimmten Indikationsbereichs.

Zum indikationsübergreifenden Austausch und zur gemeinsamen Interessenvertretung haben sich auf der Landesebene aber mit der BAG SELBSTHILFE auch auf der Bundesebene übergreifende Selbsthilfestrukturen gebildet.

Man kann daher mit Fug und Recht davon sprechen, dass es in Deutschland ein funktionierendes Kooperationssystem der Selbsthilfe gibt.

Die folgenden zwei Publikationen illustrieren dies eindrucksvoll:

Danner/Nachtigäller/Renner. Entwicklungslinien der Gesundheitsselbsthilfe  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen
Robert Koch Institut. Gesundheit in Deutschland. Selbsthilfe  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen

Die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projekts "Gesundheitsbezogene Selbsthilfe in Deutschland - Entwicklungen, Wirkungen, Perspektiven (SHILD)" finden Sie hier.

 

„Digitalisierung in der gesundheitlichen Selbsthilfe in Deutschland – Aktueller Stand und künftige Bedarfe“ („DISH“)

Auch in der gesundheitlichen Selbsthilfe nehmen die Kommunikation mittels digitaler Medien sowie die Nutzung digitaler Anwendungen im Rahmen der Selbsthilfeaktivitäten zunehmend einen höheren Stellenwert ein. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat hierzu bereits das Projekt „Digitalisierung in der gesundheitlichen Selbsthilfe in Deutschland – Aktueller Stand und künftige Bedarfe“ (kurz: „DISH“) gefördert. Das Projekt hat gezeigt, welche digitalen Prozesse in der Selbsthilfe bereits etabliert sind und welche digitalen Ansätze (noch) nicht genutzt werden. Ebenso hat es Chancen und Risiken bzw. Herausforderungen aufgezeigt, die aus Sicht der in der Selbsthilfe Aktiven mit der Digitalisierung verbunden sind. Darüber hinaus wurden Bedarfe der Selbsthilfe bei sich im Hinblick auf Qualifizierung und Unterstützung bei der Digitalisierung identifiziert. Die Ergebnisse sind kostenfrei online verfügbar (https://www.uke.de/extern/dish/ergebnisse.html). Die im Rahmen des Projektes durchgeführten bundesweiten Befragungen von Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen haben gezeigt, dass digitale Medien und Tools in der Selbsthilfe bereits in der Außen- bzw. Innenkommunikation eingesetzt werden. Die Angebotsstruktur umfasst neben den Face-to-Face-Treffen vor Ort nunmehr auch OnlineSelbsthilfe-Angebote mittels virtueller Kommunikation. Diese Werkzeuge der sog. „virtuellen Selbsthilfe“ stellen laut Umfragen für die meisten Nutzerinnen und Nutzer eine sinnvolle Ergänzung zur „klassischen Selbsthilfe“ dar und werden grundsätzlich positiv bewertet. Ebenso werden digitale Tools von der Selbsthilfe im Bereich der Forschung und Verwaltung eingesetzt.

Das Projekt hat außerdem gezeigt, dass die Diversifizierung der gesundheitlichen Selbsthilfe Betroffenen und Angehörigen die Möglichkeit bietet, sich regional und überregional zu vernetzen und damit die Reichweite der Selbsthilfeangebote vergrößert. Durch ortsungebundene Angebote kann die Versorgung von Stadt- und Landbevölkerung gleichermaßen gesichert werden, was zu gleichwertigen Lebensverhältnissen beiträgt. Besondere Bedeutung erlangt das überregionale Angebot im Hinblick auf mobilitätseingeschränkte Menschen sowie Menschen in strukturschwachen, dünnbesiedelten Räumen, in denen die Verkehrsinfrastruktur erodiert. Darüber hinaus begünstigen digitale Angebote die Vernetzung von Menschen, die an einer seltenen Erkrankung leiden, da bei räumlich weit gestreuter Prävalenz vielerorts keine lokalen Selbsthilfeaktivitäten möglich sind. Betroffene sind in den vorgenannten Fällen oftmals auf die Virtualisierung der Kommunikation mit anderen Betroffenen angewiesen, sodass sich diese zum Teil als alternativlos darstellt.

Die digitale Transformation ist aber auch mit Herausforderungen für die Beteiligten verbunden.
Die „DISH“-Ergebnisberichte umfassen Erhebungen zu dem mit der Nutzung digitaler Medien verbundenen (Mehr-)Aufwand sowie dem Unterstützungsbedarf der Selbsthilfe. Die Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Angebots- und Organisationsstrukturen sind begrenzt durch die der Selbsthilfe zur Verfügung stehenden zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen.

Auch bedarf es neuer Fachkompetenzen und Qualifizierungen seitens der Beteiligten der Selbsthilfe. Der erforderliche Kompetenzzuwachs erfordert dabei auch die datenschutzkonforme Umsetzung digitaler Anwendungen. Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, ist die Selbsthilfe auf Unterstützung und Kooperation angewiesen. Als potentielle Kooperationspartner bei der Erstellung digitaler Angebote und Implementierung digitaler Prozesse werden von Seiten der Selbsthilfe vorrangig andere Akteure der Selbsthilfe, Universitäten, Krankenhäuser und Gesundheitsfachpersonen genannt.