Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer bundeseinheitlichen Pflegefachassistenzausbildung

Als Dachverband von 119 Bundesorganisationen der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und ihren Angehörigen und von 14 Landesarbeitsgemeinschaften begrüßt die BAG SELBSTHILFE das Anliegen der Bundesregierung, ein eigenständiges und einheitliches Berufsprofil für die Pflegefachassistenz zu schaffen.

Die BAG SELBSTHILFE teilt auch die Auffassung, das Berufsbild der Pflegefachassis-tenzkraft klar zu konturieren und die Verteilung von pflegerischen Aufgaben zwischen Pflegefachpersonen und Pflegefachassistenzpersonen je nach Gegenstand und Anforderungsniveau klar zu regeln.

 

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE kann das geplante Gesetz idealerweise folgende positive Effekte erzeugen:

  • Entlastung der Pflegefachkräfte: Die Übertragung geeigneter Aufgaben auf qualifizierte Assistenzkräfte kann Pflegefachpersonen Freiräume für komplexere Tätigkeiten schaffen.      
     
  • Attraktivität des Assistenzberufs: Ein klar umrissenes Kompetenzprofil mit mehr Verantwortung und qualifiziertem Abschluss steigert die berufliche Identifikation und ggf. auch die Anerkennung und Wertschätzung durch die examinierten Kolleg*innen. 
     
  • Effizienzsteigerung im Personalmix: Eine klar strukturierte Aufgabenverteilung schafft Gestaltungsspielraum im Personalmix – insbesondere vor dem Hintergrund des anhaltenden Fachkräftemangels.

Gleichwohl enthält der Gesetzentwurf einige Punkte, die kritisch zu reflektieren sind. Hierzu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

1. § 4 Ausbildungsziel -generalistische Ausbildung

Die generalistische Ausrichtung ermöglicht es den Absolventinnen und Absolventen, in unterschiedlichen Altersgruppen und Versorgungssettings tätig zu sein, was grundsätzlich auch die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen betrifft, viele von Ihnen sind Kinder und Jugendliche.

Gleichzeitig zeigen Erfahrungen und Rückmeldungen aus der Praxis sowie aktuellen Zahlen von destatis, dass die Generalisierung der Pflegeausbildung zu einem deutlichen Rückgang der Abschlusszahlen im pädiatrischen Bereich geführt hat. Dies stellt eine Herausforderung dar, da gerade Kinder und Jugendliche, insbesondere solche mit seltenen Erkrankungen, eine spezialisierte pflegerische Versorgung benötigen, die besondere Kenntnisse und Kompetenzen voraussetzt. Im aktuellen Gesetzentwurf fehlen bislang verbindliche Regelungen, welche spezifischen Inhalte zur Pädiatrie und zum Umgang mit seltenen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in der Pflegefachassistenzausbildung verpflichtend vermittelt werden sollen.

Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Versorgungsqualität und der Betroffenen dringend geboten, die Ausbildungscurricula um klare und verbindliche pädiatrische Ausbildungsinhalte zu ergänzen. Dies könnte durch die Integration spezieller Module zur Kinderkrankenpflege und zur Versorgung seltener Erkrankungen erfolgen, um sicherzustellen, dass qualifiziertes Personal für diese besonders vulnerable Gruppe zur Verfügung steht. 

2. § 5 Dauer und Struktur der Ausbildung/ §11 (1) Anrechnung gleichwertiger Ausbildungen und Berufserfahrung/ §12 Anrechnung von Fehlzeiten

Die im Referentenentwurf vorgesehene, im Vergleich zum üblichen Status quo schon erheblich reduzierte Mindestdauer von nur 18 Monaten für die Ausbildung zur Pflegefachassistenz ist bereits äußerst ambitioniert.

Eine Verkürzung dieser ohnehin komprimierten Ausbildungszeit (generalistischer Ansatz) würde zwangsläufig zulasten der Ausbildungsqualität gehen – insbesondere angesichts der geplanten Aufgabenübertragung in sensiblen Bereichen der medizinischen Behandlungspflege.

Pflegefachassistenzpersonen übernehmen Maßnahmen mit erheblichem Verantwortungsgrad, darunter Tätigkeiten, bei denen Gesundheitsgefahren für die zu pflegenden Menschen nicht ausgeschlossen sind. Für derartige Aufgaben sind nicht allein praktische Fertigkeiten, sondern fundierte theoretische Kenntnisse und ein sicherer Transfer in die berufliche Praxis erforderlich. Zudem birgt die Vorstellung, dass langjährige berufspraktische Erfahrung eine formale Ausbildung teilweise ersetzen könne, erhebliche Risiken. Eine Tätigkeit ohne strukturierte theoretische Fundierung kann zu verfestigten Fehlanwendungen führen, die durch nachträgliche Lernprozesse womöglich schwerer zu korrigieren sind als ein frühzeitiger Kompetenzerwerb im Rahmen einer vollständigen Ausbildung. Die im Gesetz vorgesehenen Kompetenzen nach § 5 erfordern eine strukturierte, theoriegeleitete Vermittlung mit breiten Praxiseinsätzen – das ist im Rahmen einer verkürzten Ausbildung kaum gewährleistet.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE sind daher die in den §§ 5, 11 und 12 vorgesehenen weiteren Ausbildungsverkürzungsmöglichkeiten äußerst kritisch zu sehen.

3. § 4 Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

Die im Gesetzentwurf geplante Erweiterung der Aufgaben für Pflegefachassistenzpersonen verlangt nach einer klaren rechtlichen und haftungsrechtlichen Einordnung, um Unsicherheiten im Pflegealltag und potenzielle Risiken für die Versorgungssicherheit zu vermeiden. 

Bereits jetzt zeigt sich in vielen Einrichtungen eine schleichende Aufgabenverlagerung, bei der Pflegeassistenzkräfte Tätigkeiten übernehmen, die ursprünglich dem Verantwortungsbereich examinierter Pflegefachkräfte vorbehalten waren – oftmals aus Gründen des Personalmangels oder mangels klarer Regelungen. Dies führt zu einer Grauzone, in der weder die delegierende Pflegefachkraft noch die durchführende Assistenzkraft über die rechtliche Absicherung ihrer Handlungen verfügt. Besonders im Bereich der medizinischen Behandlungspflege ist dies problematisch: Werden hier Tätigkeiten ohne rechtlich eindeutige Zuordnung oder ohne angemessene Qualifikationsnachweise durchgeführt, besteht das Risiko von Versorgungsfehlern, Haftungsunklarheiten und im schlimmsten Fall gesundheitlichen Gefahren für die zu pflegenden Menschen. Darüber hinaus kann eine unklare Aufgabenverteilung auch die berufliche Rolle und das Selbstverständnis beider Berufsgruppen untergraben. Pflegefachpersonen müssen sich darauf verlassen können, dass delegierte Tätigkeiten von ausreichend qualifiziertem Personal übernommen werden – Assistenzkräfte wiederum brauchen Sicherheit, welche Aufgaben sie selbstständig ausführen dürfen und in welchen Fällen Rücksprache erforderlich ist. Eine verbindliche, differenzierte und praxistauglich formulierte Abgrenzung der Verantwortungsbereiche ist deshalb unerlässlich – nicht nur im Gesetzestext selbst, sondern auch in Form von bundeseinheitlichen Umsetzungshilfen, Orientierungshilfen für Träger und klaren Kommunikationswegen in den Einrichtungen.

4. § 4 Supervision und Anleitung

Die geplante Verantwortungsaufteilung setzt voraus, dass Pflegefachkräfte ausreichend Zeit und Ressourcen für Anleitung und Kontrolle haben – was in der Praxis oft nicht gegeben ist. Damit Pflegefachassistenzpersonen ihre Aufgaben qualitätsgesichert erfüllen können, bedarf es einer strukturierten und kontinuierlichen fachlichen Begleitung durch Pflegefachkräfte. Schon heute ist jedoch die Ausbildung und Verfügbarkeit qualifizierter Praxisanleiter*innen ein zentrales Engpass-Thema im Pflegealltag. Die dafür nötigen Qualifizierungs- und Fortbildungszeiten fehlen häufig im ohnehin angespannten Personaleinsatz, und viele Pflegeschülerinnen berichten von unzureichender Anleitung in der Praxis. Vor diesem Hintergrund ist es nicht realistisch anzunehmen, dass die bereits stark beanspruchten Praxisanleiter*innen zusätzlich die Supervision von Assistenzkräften übernehmen können – ohne strukturelle Anpassungen. Soll die Anleitung auch von nicht speziell geschulten Pflegefachkräften übernommen werden, braucht es verbindliche Qualifizierungsangebote und strukturelle Freiräume im Arbeitsalltag.

Zudem sollte geprüft werden, wie die Durchlässigkeit zwischen Pflegefachassistenz und Pflegefachkraft genutzt werden kann, um Anreize für weiterführende Spezialisierungen im pädiatrischen Bereich zu schaffen.

Düsseldorf, 03.07.2025

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