Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz-GHG)

Als Dachverband von 127 Bundesverbänden der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und deren Angehörigen sowie von 13 Landesarbeitsgemeinschaften unterstützt die BAG SELBSTHILFE das Ziel des Gesetzentwurfes, die Krankheitslast in der Bevölkerung durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken und die Herz-Kreislauf-Gesundheit zu stärken.

Auch aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es besorgniserregend, dass bis zu 70 % der Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch modifizierbare Lebensstilfaktoren verursacht werden und dass die damit zusammenhängenden Risikoerkrankungen immer mehr zunehmen.

Unverständlich ist daher, warum dem Aspekt der Primärprävention im vorliegenden Gesetzentwurf nur eine marginale Rolle eingeräumt wird und warum die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung zur Finanzierung von Maßnahmen der Primärprävention nun sogar gekürzt werden sollen.

Angesichts des großen Potentials lebensstilverändernder Maßnahmen wäre gerade im Herz-Kreislauf-Bereich ein präventionsorientierter "Health-in-all-Policies"-Ansatz besonders wichtig.

Das Vermitteln von gesundheitsbezogenem Wissen und gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen in Schulen sowie in Betrieben und Vereinen sollte besser strukturiert und konsequenter verfolgt werden, um die Herz-Kreislauf-Gesundheit zu stärken.

Leider greift der vorliegende Gesetzentwurf von der Palette der hierfür zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nur die Reduzierung des Nikotinkonsums auf, was allerdings absolut zu begrüßen ist.

Ebenfalls sehr zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber im Bereich der Früherkennung kardiovaskulärer Erkrankungen klare Impulse setzt, um insbesondere ältere Versicherte besser erreichen zu können. Leider konnte sich die Gemeinsame Selbstverwaltung hierzu bislang nicht durchringen.

Auf der anderen Seite wäre es wünschenswert, dass diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die echte Innovationen darstellen, künftig zügiger in das Versorgungssystem integriert werden könnten. Insbesondere digitale Optionen im Bereich des Telemonitorings sollten künftig nicht mehr einzeln für jedes neue Device einer langwierigen Nutzenbewertung zugeführt werden.

Maßgeblich ist beim Telemonitoring, dass ein bestimmter Datenkranz erhoben wird, der evidente Aussagen dafür liefert, ob eine kardiovaskuläre Problemsituation besteht, die ein Eingreifen erfordert. Folglich sollte sich die Prüfung künftig darauf beschränken, ob das jeweilige Device in der Lage ist, Daten eben dieses Datenkranzes zu liefern.

Umständliche Methodenbewertungsverfahren blockieren nicht nur die Gemeinsame Selbstverwaltung, sondern verzögern auch die Verfügbarkeit innovativer Behandlungsoptionen.

Schließlich begrüßt die BAG SELBSTHILFE auch die mit dem Gesetzentwurf vorgesehene Verbesserung des Beratungsangebots zur Messung von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Mellitus in Apotheken.

Im Einzelnen ist zum vorliegenden Gesetzentwurf Folgendes auszuführen:

1. § 20 SGB V

Die BAG SELBSTHILFE lehnt es ab, dass das Ausgabenbudget für Maßnahmen der Primärprävention zugunsten von Maßnahmen der Sekundärprävention reduziert werden soll. Gerade zur Stärkung der Herz-Kreislauf-Gesundheit der Bevölkerung sind intensivierte Maßnahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unabdingbar.

2. § 25 c SGB V

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber einen klaren Impuls setzt, die Gesundheitsuntersuchungen zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen klarer zu regeln und zu erweitern.

Daher ist die Neuordnung der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen für ältere Versicherte in § 25c Absatz 1 und 2 zu begrüßen.

Im Hinblick auf die Rechtsverordnung nach § 25c Absatz 5 wäre es höchst wünschenswert, dass neben der Beteiligung von Sachverständigen der Fach- und Verkehrskreise explizit auch die Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140f SGB V bei der Antragsstellung der Leistungen vorgegeben wird.

Insbesondere Vorgaben für standardisierte Fragebögen müssen den Aspekt der Laienverständlichkeit, der Nutzerfreundlichkeit und der Barrierefreiheit berücksichtigen. Eine Patientenbeteiligung bei den entsprechenden Entscheidungsfindungsprozessen ist hier nicht nur hilfreich, sondern auch erforderlich.

Im Hinblick auf § 25c Absatz 2 Nr. 3 ist seitens der BAG SELBSTHILFE zu betonen, dass die entsprechenden Informationen den genannten Kriterien entsprechen müssen. Insbesondere die spezifischen Bedarfe von Menschen mit kognitiven Einschränkungen und/oder Sinnesbehinderungen müssen Berücksichtigung finden (vgl. § 2a SGB V).

3. § 26 SGB V

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es fachlich nachvollziehbar, dass der Gesetzentwurf sich besonders auf die Früherkennung von Fettstoffwechselstörungen bei Jugendlichen fokussiert. Allerdings besteht die begründete Erwartung, dass der Gemeinsame Bundesausschuss ohnehin eine entsprechende Ergänzung der Jugenduntersuchungen vornehmen wird.

4. § 34 Absatz 2 SGB V

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es zu begrüßen, dass der vorliegende Gesetzentwurf einen Impuls setzt, den Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung bei bestehender Tabakabhängigkeit gesetzlich zu verankern.

Es bleibt zu hoffen, dass die Begrifflichkeiten der „Tabakabhängigkeit“ und der „Arzneimittel zur Tabakentwöhnung“ in der Gesetzumsetzung klar und rechtssicher operationalisiert werden können. Wünschenswert wäre es, wenn diese Begriffe näher definiert werden könnten. Ferner sollten auch andere Personengruppen mit erhöhtem Lungenkrebsrisiko und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko in den Genuss des Rechtsanspruchs kommen.

5. § 34 Absatz 5 SGB V

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE sollten die Zuständigkeitsregelungen für die Zulassung und Nutzenbewertung von Arzneimitteln durch den Gesetzgeber nicht spezifisch im Anwendungsbereich zur Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen durchbrochen werden.

Gesetzliche Detailregelungen sind zu statisch, um angemessen auf potenziell neu auftauchende wissenschaftlichen Erkenntnisse zu reagieren. Beschlussfassungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss können hingegen auf dynamische Veränderungen der Erkenntnislage besser reagieren.

6. §§ 137f, g SGB V

Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Neuregelungen zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Disease Management Programme werden seitens der BAG SELBSTHILFE vollumfänglich begrüßt.

Dies gilt insbesondere für die Regelung des § 137f Absatz 2a, die darauf abzielt, die Disease Management Programme endlich auch durchgängig mit Maßnahmen der Patientenschulung unterlegt werden.

Es ist geradezu absurd, dass die meisten Disease Management Programme bislang nicht das Angebot evidenzbasierter Patientenschulungen enthalten.

Ebenfalls sehr zu begrüßen ist, dass die Maßgaben für die Information der Versicherten zu Inhalten, Durchführung und Einschreibung nun in § 137f Absatz 3a SGB V klarer geregelt werden. Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE wäre es allerdings sehr wünschenswert, wenn explizit verankert werden würde, dass der Therapieplan mit den Therapiezielen mit den Versicherten gemeinsam festzulegen und fortlaufend zu aktualisieren ist. Nur dann macht es Sinn, die Mitwirkungspflichten im Sinne des § 137f Absatz 3a Nr. 5 SGB V zu definieren und gegenüber dem Versicherten zu kommunizieren.

Im Übrigen unterstützt die BAG SELBSTHILFE die Bemühungen des Gesetzgebers, mit den Neuregelungen in § 137f Absatz 4 SGB V die Evaluation der Disease Management Programme auf eine neue Grundlage zu stellen. Allerdings sollte künftig explizit eine vergleichende Evaluation mit der übrigen Regelversorgung vorgesehen werden.

Schließlich unterstützt die BAG SELBSTHILFE auch die Maßnahmen, die Implementation der Disease Management Programme mit den in den § 137 Absatz 6 ff. und 137g SGB V zu erleichtern bzw. zu beschleunigen.

7. § 25c Absatz 2 Nr. 1 SGB V

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es zu begrüßen, dass künftig verstärkt Möglichkeiten der Messung von Risikofaktoren in Apotheken angeboten werden sollen.

In § 25c Absatz 2 Nr. 1 SGB V muss aber ergänzt werden, dass dies in geeigneten abgeschlossenen Räumlichkeiten stattzufinden hat und dass ggf. eine ärztliche Behandlung in der Apotheke zumindest vorzuschlagen, wenn nicht direkt zu organisieren ist.

Düsseldorf, 05.07.2024

Gesundheitspolitik
Stellungnahme

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