Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale Versorgung und Pflege - Modernisierungs-Gesetz – DVPMG) - Anhörung im Bundesministerium für Gesundheit am 10. Dezember 2020 -

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt nachdrücklich, dass der Prozess der Digitalisierung des Gesundheitssystems weiter vorangetrieben werden soll. Gerade Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen können enorm von derartigen Prozessen profitieren, da bei Ihnen nicht nur Doppeluntersuchungen vermieden, sondern auch Behandlungsprozesse besser koordiniert, Diagnoseodysseen verringert und eine Kommunikation auf Augenhöhe mit den Behandlern ermöglicht werden kann.

Auch die angestrebte bessere Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen wird nachdrücklich begrüßt. Sie können in der Praxis zu einer Entlastung der Pflegekräfte, aber vor allem auch der pflegenden Angehörigen beitragen; ein Verbleib in der eigenen Häuslichkeit, der ja von den meisten Betroffenen ausdrücklich gewünscht wird, ist auf diese Weise oft länger möglich. Die BAG SELBSTHILFE verweist jedoch darauf, dass die Erstattungsfähigkeit von Hilfsmitteln zur Pflegeunterstützung (nicht nur in digitaler Form) in der Praxis bisher häufig daran scheiterte, dass diese als „Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens“ eingestuft wurden; etwa bei Herdsicherungen oder Ortungssystemen war dies der Fall. Vor diesem Hintergrund wird darum gebeten, hierfür entsprechende Regelungen zu schaffen, die eine Erstattungsfähigkeit von derartigen „einfachen“, aber für die Betroffenen oft enorm wichtigen Hilfestellungen ermöglichen. Gerade der Verweis auf die Nichterstattungsfähigkeit von Fitnessarmbändern, die wir ja für richtig halten, dürfte wohl dazu führen, dass Ortungsgeräte als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens eingestuft werden. Hier wird um entsprechende Klarstellung gebeten.

Zu den Regelungen im Einzelnen:

1. Arztauskunft zur Barrierefreiheit (§ 75 Abs. 7 Nr. 3a SGB V)

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ist die vorgesehene Verpflichtung der KBV, Richtlinien für die Umsetzung der Bundeseinheitlichkeit der auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen bereitgestellten Informationen über Zugangsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zur Versorgung (Barrierefreiheit) zu erlassen, sehr zu begrüßen.

Die heute angebotene Arztauskunft verschiedener Kassenärztlicher Vereinigungen ist bundesweit uneinheitlich. Die Auskünfte weichen bezüglich Aussagekraft, Begrifflichkeiten, Kategorien und Erläuterungen zu Merkmalen der Barrierefreiheit deutlich voneinander ab. In allen Fällen beruhen die Angaben auf einer Selbstauskunft der Arztpraxen, d. h. die Interpretation und die Auffassungsgabe der Befragten bestimmen die Qualität der erhobenen Informationen. Damit ist die bislang angebotene Arztauskunft nicht nur uneinheitlich, sie ist für die Nutzenden auch nicht transparent und auf Grund der Selbstauskunft nicht verlässlich.

Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die KBV jetzt eine Richtlinienkompetenz für einheitliche Regeln erhält.

Gesetzlich abzusichern ist jedoch aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE, dass bei der Erarbeitung der Richtlinien Menschen mit Behinderungen über die sie vertretenden Organisationen sowie Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Barrierefreiheit zwingend einzubeziehen sind. Sicherzustellen ist insbesondere, dass die Barrierefreiheit im Sinne von § 4 Bundes Behindertengleichstellungsgesetz umfassend verstanden und die Belange von Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen berücksichtigt werden. Überdies ist mittels gesetzlicher Vorgaben zu gewährleisten, dass die an der vertragsärztlichen und fachärztlichen Versorgung beteiligten Arztpraxen Angaben über die Barrierefreiheit ihrer Praxen auch tatsächlich entsprechend der zu erlassenden Richtlinie an die KVen übermitteln.

2. Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Fernbehandlung (§ 92 Abs. 4a SGB V)

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt den Arbeitsauftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss, zeitnah Kriterien für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Fernbehandlung zu bestimmen. Denn gerade für vulnerable Personen, etwa Personen nach einer Organtransplantation, ist der Besuch einer Arztpraxis auch immer mit einem Risiko einer Ansteckung verbunden – auch außerhalb der Covid- 19 Pandemie, da auch Grippeerkrankungen schwere Verläufe nach sich ziehen können. Vor diesem Hintergrund ist der Arbeitsauftrag an den GBA zu begrüßen. In Anbetracht der intensiven Diskussionen über eine solche Feststellung der AU im Rahmend der Ausnahmeregelungen während der Pandemie ist auch davon auszugehen, dass sich solche Entscheidungen zeitnah innerhalb der im Entwurf vorgesehenen Frist herbeiführen lassen.

3. Kodierung seltener Erkrankungen (§ 301 Abs. 2 S. 4 SGB V)

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt explizit, dass über die Kodierung von Seltenen Erkrankungen im Krankenhaus Wissen gesammelt und die Forschung gezielter vorangetrieben werden kann. Sie fordert jedoch darüber hinaus dringend dazu auf, die verpflichtende Kodierung sowohl in den Hochschulambulanzen, aber auch im niedergelassenen Bereich einzuführen, da viele seltene Erkrankungen überwiegend ambulant behandelt werden und auch diese Daten zur Verbesserung der Situation der Betroffenen dringend erforderlich sind.

4. Handlungsbedarf zur Digitalisierung aus Versichertensicht (§ 338 SGB V)

In § 338 SGB V ist aus Sicht der BAG SELBSTHILFE nicht ausreichend gewährleistet, dass ein barrierefreier Zugriff möglich ist. Zwar sind die Krankenkassen bereits aus den Behindertengleichstellungsgesetzen von Bund und Ländern in Verbindung mit der Richtlinie (EU) 2016/2102 verpflichtet, Webseiten  barrierefrei zu gestalten  - und hier dürfte es sich letztlich um eine Webanwendung handeln -, doch benötigen sie dafür die Zuarbeit der GEMATIK, weil nur zugelassene Komponenten nach § 325 zum Einsatz kommen dürfen. Vor diesem Hintergrund ist zu gewährleisten, dass Barrierefreiheit umgesetzt wird.

5. Gesundheitsportal/ePA (§ 354 Abs. 2 Nr. 7 SGB V)

Die BAG SELBSTHILFE hatte bereits in der Vergangenheit gefordert, dass Versicherte auch über die ePA auf qualitätsgesicherte Informationen zugreifen können. Vor diesem Hintergrund begrüßt sie die vorgesehene Regelung in § 354 Abs. 2 Nr. 7 SGB V ausdrücklich. Gesundheitskompetenz erschöpft sich jedoch nicht nur in dem Wissen über die Erkrankung bzw. ihre Therapie, sondern auch im alltäglichen Umgang mit der Erkrankung („how to“): Wie baue ich bestimmte Anforderungen in meinen (beruflichen) Alltag ein, wann lasse ich mich impfen? Nicht immer lassen sich diese Fragen ausschließlich medizinisch beantworten, sondern hängen auch ganz grundlegend von den Lebensumständen ab. In der ePA sollte deswegen aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE auch entsprechende Selbsthilfeangebote aufgerufen werden können. Dabei erscheint die Verortung in der ePA noch wichtiger als im Nationale Gesundheitsportal, da letzteres – im Gegensatz zur ePA  aktiv sowie gesondert angesteuert werden muss; damit werden durch die Informationen im Gesundheitsportal wiederum nur diejenigen erreicht, die ohnehin schon ein höheres Interesse an Gesundheitsthemen haben. Bei der ePA steht hingegen zu hoffen, dass durch die Einspeisung der entsprechenden Informationen auch vulnerable Zielgruppen besser erreicht werden können, da ein höheres, sich wiederholendes Interesse an den eigenen Daten in der ePA vorliegt. Außerdem stärkt eine Verortung in der ePA nach Auffassung der BAG SELBSHILFE die Position der Selbsthilfe als vierte Säule im Gesundheitswesen.

6. Barrierefreie Einbindung der Leistungserbringer in die Telematik-Infrastruktur (§ 360 SGB V)

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ist eine barrierefreie Ausgestaltung der digitalen Infrastruktur ist nicht nur aus Patientensicht wichtig. Vielmehr muss Barrierefreiheit auch für die Leistungserbringer gewährleistet werden. Gerade im Gesundheitswesen sind viele blinde und sehbehinderte Menschen tätig. Als Beispiele seien hier Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die Heilmittelerbringer und hier insbesondere Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten und Logopädinnen und Logopäden sowie Hilfsmittelleistungserbringer und nicht zuletzt Verwaltungsangestellte im Gesundheitswesen zu nennen. diese Menschen sind in der täglichen beruflichen Arbeit darauf angewiesen, digitale Anwendungen und Programmoberflächen zu nutzen. Es muss ihnen auch möglich sein, sich barrierefrei zu authentifizieren. Hier gibt es offensichtlich eine Regelungslücke im Gesetz. Bislang wird nur auf das Sicherheitsniveau und die Vorgaben des BSI angestellt. Gerade bei hohen Sicherheitsniveaus kann es aber schwieriger sein, geeignete barrierefreie Verfahren zu finden. Eine frühzeitige Klärung dieser Schnittstelle Sicherheit/Barrierefreiheit ist zwingend notwendig.

7. Einrichtungsvergleichende Informationen (§ 370a Abs. 2 SGB V)

Die BAG SELBSTHILFE teilt die Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit, dass „Patientinnen und Patienten (…) ein schützenswertes Interesse an einer einrichtungsvergleichenden Information und Aufklärung über Leistungen und deren Qualität in der maßgeblich solidarisch finanzierten medizinischen Versorgung“ haben, „die dem Schutz ihrer Gesundheit und ihres Lebens dienen.“

Dabei können Regelungen zur Offenlegung von Daten der Vertragsärzte zwar deren Berufsfreiheit und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie den Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berühren. Zutreffend wird jedoch in der Begründung ausgeführt, dass der Schutz dieser Daten aber „in Abwägung mit den Interessen der Versicherten an Transparenz über die Qualität in der medizinischen Versorgung nicht als höherrangig zu schützende leistungserbringerbezogene Information oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnis angesehen werden“ kann. Das Interesse an einer einrichtungsbezogenen und vergleichenden Veröffentlichung von Daten über das Versorgungsangebot und dessen Qualität „zum Zweck der Förderung der Transparenz und Verbesserung der Qualität in der Versorgung im Interesse der Informationsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit von Patientinnen und Patienten überwiegt insoweit die schützenswerten Interessen der Leistungserbringenden.“

Vor diesem Hintergrund sollte die Kann- Regelung des § 370a Abs. 2 SGB V in eine Muss Regelung überführt werden; eine Opt-out Regelung für die Vertragsärzte beeinträchtigt ebenfalls das schützenswerte Interesse der Patient*innen an Transparenz und letztlich des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit.

Insoweit hat die BAG SELBSTHILFE folgenden Änderungsvorschlag:

Zu Nr. 47 (§ 370a SGB V)

Abs. 2, Satz 1 soll lauten:

„Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ermöglicht die Nutzung der im Rahmen des elektronischen Systems nach Satz 1 bereitgestellten Informationen und Dienste durch Dritte.“

Abs. 2 Satz, Satz 7 („Die Vertragsärzte können der Weitergabe ihrer Daten an Dritte nach Satz 1 widersprechen“) sollte entfallen.

8. Ausgestaltung des Nationalen Gesundheitsportals (§ 395 SGB V)

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE schränkt die vorgesehene Regelung im Absatz 2 Satz 1 zu sehr die vorgesehene Nutzung dieser Daten allein im Zuge der Nutzereinzelabfrage ein und begrenzt insoweit die Optionen zur Nutzung dieser Daten unnötig. Im Sinne einer verbesserten Qualitätstransparenz und möglichst hohen Reichweite für das entsprechende Angebot (Suchmaschinenoptimierung) sollte auf eine derart detaillierte Festlegung verzichtet werden.

Ferner sollte der dem Nationalen Gesundheitsportal zur Verfügung gestellte Datensatz nach Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 bis 6 analog zur Regelung in § 370a SGB V auch Dritten diskriminierungsfrei über eine entsprechende Schnittstelle zugänglich gemacht werden. Denn es wird nicht die eine Darstellungsform geben, die für alle Nutzer passend ist; vielmehr kann über einen Wettbewerb der guten Ideen auch eine Verbesserung der Darstellungen erreicht werden.

In Absatz 2 Satz 1 sind die Worte „auf Suchanfragen der Nutzer nach bestimmten Vertragsärzten über das Nationale Gesundheitsportal nach Absatz 1“ ersatzlos zu streichen. Die Begründung zu diesem Absatz ist ab Satz 2 entsprechend anzupassen.

Nach Absatz 5 wird folgender neuer Absatz 6 eingefügt:

„(6) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ermöglicht die Nutzung der im Rahmen der Erfassung nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 6 erhobenen Angaben durch Dritte. Hierzu veröffentlicht die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Schnittstelle auf Basis international anerkannter Standards und beantragt deren Aufnahme in das Verzeichnis nach § 384. Die Nutzung des elektronischen Systems durch Dritte ist gebührenpflichtig. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung regelt das Nähere zu der Nutzung des Verzeichnisses durch Dritte und zu den hierfür anfallenden Gebühren in einer Verfahrens- und Gebührenordnung. Die Verfahrens- und Gebührenordnung ist dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorzulegen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Verfahrens- und Gebührenordnung innerhalb von einem Monat nach Zugang beanstanden.“

„Der jetzige Absatz 6 wird zu Absatz 7.“

9. Digitale Pflegeanwendungen (§ 40a SGB XI)

Wie bereits eingangs dargestellt, begrüßt die BAG SELBSTHILFE die angestrebte bessere Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen wird nachdrücklich, da diese in der Praxis zu einer Entlastung der Pflegekräfte, aber vor allem auch der pflegenden Angehörigen beitragen können und so ein Verbleib in der eigenen Häuslichkeit auf diese Weise oft länger möglich ist. Die BAG SELBSTHILFE verweist jedoch darauf, dass die Erstattungsfähigkeit von Hilfsmitteln zur Pflegeunterstützung (nicht nur in digitaler Form) in der Praxis bisher häufig daran scheiterte, dass diese als „Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens“ eingestuft wurden; etwa bei Herdsicherungen oder Ortungssystemen war dies der Fall. Vor diesem Hintergrund wird darum gebeten, hierfür entsprechende Regelungen zu schaffen, die eine Erstattungsfähigkeit von derartigen „einfachen“, aber für die Betroffenen oft enorm wichtigen Hilfestellungen ermöglichen. Gerade der Verweis auf die Nichterstattungsfähigkeit von Fitnessarmbändern, die wir ja für richtig halten, dürfte wohl dazu führen, dass Ortungsgeräte als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens eingestuft werden. Hier wird um entsprechende Klarstellung gebeten.

10. Barrierefreiheit der DiGAV (Änderung der Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung)

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist die Anlage der DiGAV bezüglich der Anforderungen an die Barrierefreiheit unzureichend und unbefriedigend.

Der gesetzgeberische Wille, Anforderungen an die Barrierefreiheit zu formulieren, muss sich in der konkretisierenden Rechtsverordnung widerspiegeln. Geschieht dies nicht, können gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherte nicht von für alle Versicherten vorgesehenen Leistungen profitieren. Das wiederum stellt eine

Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen dar und zwar einmal dadurch, dass behinderten Menschen die für die Allgemeinheit angebotenen Gesundheits- und Pflegeleistungen nicht zur Verfügung stehen und andererseits dadurch, dass diese unzugänglichen Leistungen mit Versicherungsbeiträgen finanziert werden, für die auch behinderte Menschen uneingeschränkt aufkommen.

Gesetzliche Kranken- und Pflegekassen sind verpflichtet, Sozialleistungen – und dazu gehört auch die Versorgung mit digitalen Gesundheits- und Pflegeanwendungen im Rahmen des Anspruchs nach § 33 a SGB V bzw. 40a SGB XI - in zeitgemäßer Weise (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) und diskriminierungsfrei (§ 33c SGB I) zur Verfügung zu stellen. Daraus resultiert ein Handlungsauftrag zur Sicherstellung einer barrierefreien Gesundheitsversorgung, der sich auch auf digitale Anwendungen erstreckt.

Aus unserer Sicht erscheint es sinnvoll, die technischen Anforderungen insbesondere aus der BITV 2.0 und der EN 301 549 für mobile Anwendungen abzuleiten (EN 301 549 in der Fassung 2.1.2 (2018-08), Annex A Tabelle A.2. Dieser europäische Standard ist bereits im Rahmen der Umsetzung der EU-Webseitenrichtlinie RL (EU) 2016/2102 als harmonisierte Norm anerkannt, international gebräuchlich und für Entwickler nachvollziehbar.

Dies erfordert, dass digitale Gesundheitsanwendungen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sind. Für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, beispielsweise Formulare und die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen, soll ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit angestrebt werden. Das entspricht den Konformitätsstufen AAA der WCAG 2.1.

Im Übrigen ist der Stand der Technik anzuwenden, soweit Nutzeranforderungen oder Teile von Angeboten, Diensten oder Anwendungen nicht erfasst sind.

Auf der Website der Überwachungsstelle des Bundes nach § 13 Abs. 3 BGG werden regelmäßig aktuelle Informationen zur EN 301 549 in deutscher Sprache, den zu beachtenden Standards zur Barrierefreiheit, Konformitätstabellen, die einen Überblick zu den wichtigsten Barrierefreiheitsanforderungen geben und weiterführende Erläuterungen veröffentlicht. Dem BfArM wird so auch eine Nachprüfbarkeit der Herstellerangaben möglich.

Zudem ist die Einhaltung der Accessibility Guidelines der Plattformen zu sichern.

Zu streichen ist die Anforderung: „Ja, die digitale Gesundheitsanwendung bietet spätestens ab dem 1. Januar 2021 Bedienhilfen für Menschen mit Einschränkungen oder unterstützt die durch die Plattform angebotenen Bedienhilfen.“ Diese Formulierung würde es ermöglichen, dass Hersteller eigene Bedienungshilfen integrieren, also z. B. eigene Screenreader implementieren. Das wird von blinden und sehbehinderten Menschen kritisch gesehen. Zum einen könnten die allgemein verfügbaren Screenreader an die Bedürfnisse angepasst werden (z. B. Geschwindigkeit, wie viele Zeichen werden mit vorgelesen etc.). Zum anderen ist ein App-eigener Screenreader kritisch, weil er mit dem Standard-Screenreader des Smartphones kollidieren kann. Dass Bedienhilfen unterstützt werden müssen, sollte besser über eine andere Formulierung abgesichert werden.

Anlage 2 könnte in Bezug auf den Abschnitt zur Barrierefreiheit wie folgt neu gefasst werden:

Ist die digitale Gesundheitsanwendung barrierefrei und nutzerfreundlich?

  • ja, die digitale Gesundheitsanwendung ist wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet; die Anforderungen für mobile Anwendungen nach Maßgabe der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) und der EN 301 549 in der Fassung 2.1.2 (2018-08), Annex A, Tabelle A.2 werden erfüllt.
  • Ja, die Usability- und Accessibility Styleguides der jeweiligen Plattform für mobile Anwendungen sind vollständig umgesetzt, oder es wurden alternative Lösungen umgesetzt, für die im Rahmen von Nutzertests eine besonders hohe Nutzerfreundlichkeit nachgewiesen werden konnte.
  • Ja, zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, wie Formulare und die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen erfüllen ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit im Sinne der Konformitätsstufe AAA der WCAG 2.1.
  • Ja, Die Barrierefreiheit der digitalen Gesundheitsanwendung wurde im Rahmen von Tests mit die Zielgruppe repräsentierenden Fokusgruppen von Menschen mit Behinderungen bestätigt.
  • Ja, die leichte und intuitive Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der digitalen Gesundheitsanwendung wurde im Rahmen von Tests mit die Zielgruppe repräsentierenden Fokusgruppen bestätigt.
  • Ja, die digitale Gesundheitsanwendung kann von einer Plattform barrierefrei heruntergeladen werden.

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