Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen (EpiLage-Fortgeltungsgesetz)

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt es zwar sehr, dass viele Regelungen, die für die Betroffenen erhebliche Erleichterungen in der Pandemie bringen, über die Fortschreibung der ja aktuell auch bestehenden pandemischen Lage, akzessorisch verlängert werden sollen. Dies betrifft insbesondere die Regelungen im SGB XI und im Familien- und Pflegezeitgesetz. Die akzessorische Gestaltung erleichtert zu-dem auch die Information und Beratung der Betroffenen durch die Selbsthilfeorganisationen, da die Geltung und Ausgestaltung der Regelungen nicht immer wieder nachgehalten werden muss.

Kritischer sieht die BAG SELBSTHILFE jedoch die Frage der Impfpriorisierung im Verordnungswege. Für einen Übergangszeitraum mag eine solche Priorisierung im Verordnungswege verfassungskonform sein, da natürlich eine erhebliche Eilbedürftigkeit des Regelungs- und Anpassungsbedarfs in diesem Bereich auch eine Rolle zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit spielen kann. Gleichwohl sollte aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE zeitnah eine Priorisierung im Wege eines regulären Gesetzgebungsverfahrens eingeleitet werden, um dem Wesentlichkeitsgrundsatz Genüge zu tun. Denn derzeit lassen viele Gerichte die Frage, ob die Priorisierung im Verordnungswege den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, dahinstehen, da man den Anspruch aus anderen Gründen verneint. Diese Einschätzung kann sich jedoch auch ändern, was einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung in die Priorisierung zur Folge haben könnte.

Unabhängig von dieser grundsätzlichen Frage werden viele der Anpassungen, die nun im Verordnungsentwurf vorgeschlagen werden und die die BAG SELBSHTILFE auch schon in ihrer Stellungnahme zum ersten Entwurf gefordert hatte, ausdrücklich begrüßt, etwa die Berücksichtigung der pflegenden Angehörigen auch bei Pflegebedürftigen unter 80 sowie die Regelung der Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung bei vielen Krankheitsbildern. Gleichwohl fehlen auch im aktuellen Entwurf noch wichtige Fallkonstellationen (Impfung der Kontaktpersonen von chronisch kranken Menschen ohne Pflegestufe, insbes. Kinder) und Krankheitsbilder (z.B. neuromuskuläre Erkrankungen wie ALS). In letztem Fall dürfte die Problematik zwar in einigen Fällen über Einzelfallentscheidungen lösbar sein; gleichzeitig muss die Impfung aber natürlich damit ein Stück weit für die Betroffenen in der Diskussion mit den Impfzentren „erkämpft“ werden, wofür viele nicht die Kraft haben werden- auch aufgrund ihrer Erkrankung oder des Fehlens eines Hilfesystems. Darüber hinaus berücksichtigt der aktuelle Verordnungsentwurf auch nicht die Konstellation, dass aufgrund des Krankheitsbildes eine Impfung mit einem bestimmten Impfstoff aus medizinischen Gründen nicht angezeigt sein kann, etwa bei Organtransplantierten oder chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Auch dies sollte noch nachgeschärft werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme zur CoronaImpfV verwiesen.

Darüber hinaus sieht die BAG SELBSTHILFE jedoch auch noch Ergänzungsbedarf bei der Fassung des Gesetzes:

In § 20 des Infektionsschutzgesetzes soll ein Absatz 2a eingefügt werden, der die Impfziele definiert, die im Falle von Impf-Priorisierungen gelten sollen:

Dieser Absatz berücksichtigt die Belange von Menschen mit Behinderungen, die wegen des behinderungsbedingt notwendigen Unterstützungsbedarfs einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, nicht ausreichend. Das gilt insbesondere für die Menschen, die ambulant versorgt werden.

Taubblinde Menschen beispielsweise sind ganz besonders gefährdet, weil jede Form von Kommunikation mit engem körperlichen Kontakt verbunden ist (beim Lormen oder taktilen Gebärden müssen die Hände der Assistenzperson berührt werden). Ein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht auch bei blinden Menschen, die auf Begleitung angewiesen sind. Gleichzeitig sind diese Personengruppen nicht zwangsläufig einer Risikogruppe für einen schweren Krankheitsverlauf zuzuordnen. Wenn sie sich aber mit dem Corona-Virus anstecken, dann ist die Versorgung mit deutlich höherem Aufwand und mit sehr hohen praktischen Schwierigkeiten verbunden (u. a. Sicherstellung der häuslichen Versorgung einschließlich der erforderlichen Kommunikation im Falle von Quarantäne, Sicherstellung der Kommunikation im Krankenhaus etc.).

Es ist also zu gewährleisten, dass besonders vulnerable Gruppen – und dazu gehören blinde und taubblinde Menschen – prioritär geimpft werden können.

§ 20 Abs. 2a Nr. 2 oder 3 könnte etwa wie folgt gefasst werden (alternativ):

2. Schutz von Personen mit besonders hohem Infektionsrisiko, insbesondere Menschen mit Behinderungen

„3. besonderer Schutz von vulnerablen Personen und in Umgebungen mit hohem Ausbruchspotenzial,“

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