Stellungnahme zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz - KHVGG

Als Dachverband von 121 Bundesverbänden der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und deren Angehörigen mit rund 1 Million Mitgliedern sowie von 13 Landesarbeitsgemeinschaften begrüßt die BAG SELBSTHILFE die Ziele der Bundesregierung Versorgungsstrukturen zu schaffen, die eine qualitativ hochwertigere Versorgung der Patient*innen sicherstellen und gleichzeitig ökonomische Anreize für Fehlbehandlungen senken sollen.

 

Sie kann auch den Befund der Bundesregierung nachvollziehen, dass die derzeitige Ausgestaltung der Krankenhausfinanzierung das Risiko in sich birgt, dass Krankenhäuser bei Operationen auf Versorgungen setzen, bei denen das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag günstig ist, während Operationen oder Prozeduren mit ungünstigem Aufwand/ Ertrag-Verhältnis eher herunterpriorisiert werden.

Gleichzeitig wird die vorgesehene Verteilung zwischen Vorhaltepauschalen und DRG mit 60/40 aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE leider keine Entökonomisierung der Medizin zur Folge haben, sondern es werden voraussichtlich nur andere Anreize gesetzt. Insoweit sieht die BAG SELBSTHILFE bei der vorgesehenen Ausgestaltung leider das Risiko, dass besonders schwierige, kostenintensive und aufwändige Versorgungen im Krankenhaus nunmehr noch weiter nach hinten fallen, da sie sich angesichts der nicht mehr nach der Erkrankungsart differenzierten Vorhaltepauschale noch weniger lohnen.

Zudem sieht die BAG SELBSTHILFE das Risiko, dass sich die Länder noch weiter aus der Investitionskostenfinanzierung herausziehen, zu der sie eindeutig gesetzlich verpflichtet sind; unter Umständen werden sie hälftigen Kosten für den Transformationsfonds als Beitrag zur Erfüllung ihrer Investitionskostenfinanzierung werten und sich ansonsten auf die strukturelle Sicherung der Krankenhäuser durch die Vorhaltepauschalen verlassen. Dies dürfte aber zur Folge haben, dass die Beitragszahler noch stärker zur Finanzierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge herangezogen werden, als dies bereits jetzt der Fall ist.

Hinzu kommt, dass die Transformationskosten des Bundes aus dem Gesundheitsfonds gespeist werden, so dass insoweit eine Belastung nur der GKV-Beitragszahler stattfindet, obwohl es sich um Kosten handelt, die aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ebenfalls gesamtgesellschaftlich aus Steuermitteln zu tragen wären; gänzlich unverständlich ist es, warum die Private Krankenversicherung hier nicht zur Finanzierung herangezogen wird. Insoweit fordert die BAG SELBSTHILFE hier eine Umgestaltung des Gesetzentwurfes dahingehend, dass die unangemessene zusätzliche Belastung der Beitragszahler*innen zurückgenommen wird; es dürfte noch zu klären sein, ob eine derartige Verlagerung der Kosten angesichts der Entscheidung des Bundessozialgerichtes zur BZgA vom 18.05.2021, B 1 A 2/20 R überhaupt verfassungsgemäß ist.

Mit großer Sorge sieht die BAG SELBSTHILFE auch die Zukunft der zertifizierten Zentren, die nicht immer an Universitätskliniken angesiedelt sind und durch die Levelfinanzierung in finanzieller Hinsicht gefährdet sein könnten. Dies betrifft etwa Zentren für bestimmte seltene Erkrankungen. Zwar wird explizit begrüßt, dass Ausnahmemöglichkeiten der Länder vorgesehen sind, gleichwohl ist aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE zu vermeiden, dass vorhandene gut funktionierende und qualitativ hochwertige Strukturen durch die Neuregelungen zerschlagen werden oder an der unzureichenden Finanzierung scheitern. Gleiches gilt auch für die sog. Frührehabilitation, wo bestimmte Anforderungen zur Schließung von Einrichtungen führen könnten. Hier müsste eine Differenzierung des Personenkreises, der in der Reha- Einrichtung behandelt wird (intensivpflichtige Schwerstschlaganfallbetroffene/ andere Frühreha-Patient*innen), dazu führen, dass die Qualitätsanforderung (Intensivstation) bei der einen Personengruppe (intensivpflichtige Schwerstschlaganfallbetroffene) aufrecht erhalten bleibt, bei der anderen Personengruppe (andere Frühreha-Patient*innen) über enge und räumlich nahe Kooperationen erfüllbar ist. Ähnlich ist die Situation der Fachkliniken in der Rheumatologie, wo die Fachkliniken ganz unterschiedliche Schwerpunkte haben und deswegen einheitliche Qualitätsanforderungen nicht wirklich zielführend sind. Auch hier müssen differenzierte Lösungen gefunden werden.

Zudem werden aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE viele Fragen zur stationären Versorgung von Menschen mit Behinderung im Referentenentwurf zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen noch nicht hinreichend beantwortet. Ergänzend zu den in den Leistungsgruppen abgebildeten Versorgungsbereichen müssen Krankenhäuser Menschen mit Behinderung spezialisierte Gesundheitsleistungen zur Verfügung stellen (können), die sie aufgrund der gesundheitlichen Folgen ihrer Behinderung benötigen (Art. 25b UN-BRK). Menschen mit besonders komplexen Gesundheitsstörungen bzw. schwerer geistiger und körperlicher Mehrfachbehinderung sind ergänzend zur Regelversorgung häufig auf ein qualifiziertes Behandlungsangebot angewiesen. Daher ist es nötig, bewährte hierauf spezialisierte Angebote wie Besondere Einrichtungen, besonders spezialisierte Fachabteilungen bzw. Krankenhäuser zu erhalten und sie in die neuen Strukturen zu integrieren und weiterzuentwickeln. In den neuen Strukturen muss es auch möglich sein, neue spezialisierte Angebote wie z.B.  Fachabteilungen zur Unterstützung der stationären Regelversorgung für Personen mit besonders komplexen Gesundheitsstörungen bzw. schwerer geistiger und körperlicher Mehrfachbehinderung aufzubauen. Insbesondere in den Krankenhäusern nach § 115g sollte als Beitrag zur sektorenübergreifenden Versorgung eine Kooperation von MZEB mit dem stationären Sektor möglich sein.

Schwierig ist aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ferner, dass unklar ist, wie strukturelle Aufgaben wie soziale Dienste oder Weiterbildung der Ärzte in den Vorhaltepauschalen abgebildet sind. Denn dass Ärzte auf dem aktuellen Stand der Erkenntnisse sind, ist für Patient*innen ein entscheidendes Qualitätsmerkmal und bestimmt den Ausgang der Therapie maßgeblich. Derzeit ist die Weiterbildung in den DRGs enthalten, dies reicht jedoch schon jetzt nicht aus, damit die Umsetzung in der Praxis ohne Probleme stattfindet. Wenn sich der Anteil der DRGs jedoch auf 40 Prozent reduziert, wird die Situation noch schwieriger. Insoweit braucht es nun tatsächlich eine gezielte Förderung der Weiterbildung, damit tatsächlich eine qualitativ gute Behandlung stattfindet.

Zu den Themen im Einzelnen:

1. Transformationsfonds, Vorhaltepauschalen und Zusatzentgelte

Wie bereits dargestellt sieht die BAG SELBSTHILFE die hohe Belastung der (GKV-) Beitragszahler kritisch. Zentrales Element der Krankenhausreform wird der zukünftige Transformationsfonds sein, der hälftig von Bund (aus dem Gesundheitsfonds) und den Ländern mit jeweils 5 Milliarden Euro jährlich bestückt werden soll. Insgesamt soll der Anteil der Fallpauschalen an der Krankenhausfinanzierung gesenkt werden, stattdessen soll es nunmehr fallspezifische Vorhaltepauschalen geben, die nach Bundesländern und Leistungsgruppen differenziert werden; in Zukunft ist ein Anteil von 60 Prozent Vorhaltepauschalen an der Gesamtvergütung angestrebt. Diese Vorhaltepauschalen werden nur dann gezahlt, wenn die Qualitätskriterien eingehalten wurden.

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ist insbesondere die Entnahme des Anteils des Bundes aus dem Gesundheitsfonds sehr kritisch zu sehen, da so den GKV-Beitragszahler*innen steuerlich zu tragende Strukturaufgaben den Beitragszahlern auferlegt werden sollen statt Steuermittel hierfür zu verwenden; warum die PKV an derartigen Mitteln nicht beteiligt werden soll, bleibt ebenfalls unklar. Insoweit fordert sie, dass die entsprechenden Kosten des Anteils des Bundes aus Steuermitteln finanziert werden.

Positiver sieht die BAG SELBSTHILFE die Zusatzentgelte, die für Abteilungen und Organisationen gezahlt werden, die bisher wegen des hohen Vorhalteanteils – teilweise auch von Strukturaufgaben - unterfinanziert waren. Nach dem Entwurf bekommen Universitätskliniken für die ihnen zugewiesenen Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben sowie das Vorhalten von Geräten und Personal zusätzlich darüber hinaus entsprechende Mittel; die Bereiche Pädiatrie, Geburtshilfe, Stroke Units, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin sollen extra vergütet werden. Auch nach den Erfahrungen der BAG SELBSTHILFE sind etwa die pädiatrischen Abteilungen chronisch unterfinanziert, so dass teilweise Fördervereine von Eltern hier einspringen müssen.

Insgesamt sollte aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE die Versorgung im Krankenhaus stärker im Zusammenspiel mit der ambulanten Versorgung gedacht werden – was ja auch mit den begrüßenswerten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen angedacht ist. So findet beispielsweise die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen hauptsächlich ambulant statt. Gelegentlich sind Aufenthalte im Krankenhaus zusätzlich notwendig. Oft wird die Versorgung durch eine Hochschulambulanz sichergestellt, nicht selten aber auch an nicht-universitären Einrichtungen. Die Zuschläge nach § 136c SGB V und die Vorhaltepauschalen sind alle nur halb so wirksam, wenn sie nicht auch für die ambulante Versorgung eingesetzt werden können. Der Umsatz und die Zukunft eines Zentrums dürfen nicht davon abhängen, ob Patientinnen und Patienten ambulant oder stationär behandelt werden. Eine Krankenhausreform bietet insoweit aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE auch die Chance, eine sektorenübergreifende Versorgung zu fördern.

Wie bereits eingangs dargestellt, fehlt es zudem an einer ausreichenden Refinanzierung der Weiterbildung der Ärzte, die als entscheidendes Qualitätsmerkmal explizit gefördert werden sollte; auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

2. Leistungsgruppen/ Leistungsgruppenausschuss/ Qualitätsanforderungen

Wie bereits vorstehend dargestellt, hält die BAG SELBSTHILFE das Grundkonzept einer Verknüpfung der Krankenhausplanung mit Qualitätsanforderungen, die dann wiederum für die Vorhaltepauschalen relevant sind, für sinnvoll. Gleichzeitig sieht sie dadurch aber auch die Gefahr, dass bestehende gute Versorgungsstrukturen zerstört werden könnten, da das System noch zu wenig ausdifferenziert ist (siehe etwa oben zur Früh-Reha und den Fachkrankenhäusern insgesamt).

Bei den Leistungsgruppen gibt es Besonderheiten bei den seltenen Erkrankungen. Denn diese orientieren sich derzeit an den Strukturen der klassisch medizinischen Fächer. Da die Seltenen Erkrankungen zwar ca. 20% aller stationären Patienten eines Uniklinikums betreffen, aber eben alle Fachgebiete treffen können, und auch kein eigenes Gebiet in der Medizin darstellen, sind sie als Querschnittserkrankungen nicht abgebildet. Soweit bislang bekannt sollen die Leistungsgruppen wohl über die Diagnosen nach ICD-10 definiert werden. Die Seltenen werden im ICD-10 aber nicht differenziert genug abgebildet und sind somit zu Abrechnungszwecken nicht aufwandsgerecht sichtbar. Damit lässt sich aktuell über Vorhaltekosten für die Versorgung von Seltenen Erkrankungen, die im neuen Katalog wohl auch als Sockelbetrag finanziert werden sollen, keine angemessene Abschätzung treffen. Es wird befürchtet, dass hierfür angesetzte Beträge dem Bedarf nicht gerecht werden.

Sowohl für die Berechnung von Vorhaltekosten als auch für die Qualitätssicherung müssen die Orphacodes fester Bestandteil der Kodierung und Auswertung im neuen Gesetz werden (bisher sind sie nicht vorgesehen).

Dann könnte man z.B. in den Leistungsgruppen eine Differenzierung (z.B.Leistungsgruppe 1.1: Allgemeine Innere Medizin Standardversorgung vs. hoher Anteil an Seltenen Erkrankungen, z.B. 20% der Fälle mit Orphacode) vornehmen. Sinnvoll wäre es, einen Use-Case zu erarbeiten, wie krankheitsspezifische Ambulanzen (nach NAMSE sog. B-Zentrum), in Zukunft finanziert werden sollen, um zu überprüfen, ob die geplante Krankenhausreform für Zentren für seltene Erkrankungen funktioniert.

Schließlich bittet die BAG SELBSTHILFE um Klarstellung bzgl. der Patientenbeteiligung im Ausschuss zur (Weiter-) Entwicklung der Leistungsgruppen. Sie begrüßt es sehr, dass die maßgeblichen Patientenorganisationen im Ausschuss beteiligt sein sollen, hat aber die Befürchtung, dass die gewählte Formulierung „können“ zu der irrtümlichen Interpretation führen könnte, dass die Beteiligung nur optional ist. Vor diesem Hintergrund hält die BAG SELBSTHILFE eine Klarstellung für notwendig, dass die Patientenorganisationen ein Mitberatungsrecht haben.

Insoweit bittet sie um Aufnahme folgender Formulierung, die sich entsprechend in § 140f SGB V zum Mitberatungsrecht im Gemeinsamen Bundesausschuss findet (Änderung in Kursiv; verkürzt könnte auch von den Patientenorganisationen nach
§ 140f gesprochen werden):

„Der Ausschuss ist in gleicher Zahl besetzt mit Vertretern des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen einerseits und Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Bundesärztekammer und der Berufsorganisationen der Pflegeberufe andererseits. Die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f erhalten ein Mitberatungsrecht. Der Ausschuss kann sachverständige Personen zur Beratung hinzuziehen.

3. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen/ Entlassmanagement/ Fahrtkosten/ Entfernung zum nächsten Krankenhaus (§ 115h SGB V RefE)

Im Grundsatz hält die BAG SELBSTHILFE es für nachvollziehbar, dass qualitativ hochwertige Versorgung bei planbaren Leistungen mit gewissen Entfernungen verbunden ist; laut Entwurf sollen Stationen der Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie per Fahrzeug in höchstens 30 Minuten erreichbar sein. Für alle anderen Leistungsgruppen soll die Fahrzeit maximal 40 Minuten betragen.

Gleichzeitig trägt dies natürlich zu zusätzlichen Belastungen für Patient*innen und Angehörige bei, die höhere Fahrtkosten in Kauf nehmen müssen. Angestrebt ist mit der Reform eine stärkere Ambulantisierung, die zusätzlich auch noch den Nachteil für Patient*innen hat, dass die Regelungen zur Fahrtkostenerstattung schlechter als zur stationären Versorgung sind. Vor diesem Hintergrund hält es die BAG SELBSTHILFE für dringend erforderlich, dass die Regelungen zur ambulanten und stationären Behandlung überarbeitet werden, im Bereich der stationären Behandlung betrifft dies insbesondere die tagesstationäre Behandlung. Denn da die Fahrtkostenregelungen im ambulanten und tagesstationären Bereich erheblich von denen des stationären Bereichs abweichen, werden die Patienten*innen ohne gesetzliche Änderungen der Regelung zusätzlich mit den Fahrtkosten belastet werden, während im System erhebliche Einschränkungen durch die Verlagerung entstehen. Dies kann so nicht sein; wer Ambulantisierung möchte und gleichzeitig verhindern will, dass Umgehungsstrategien durch Einweisung ins Krankenhaus zur Vermeidung von Fahrtkosten geschaffen werden, sollte daher auch die entsprechenden gesetzlichen Regelungen anpassen. Ohnehin wird durch die Ambulantisierung erheblicher Aufwand auf die Familien zur Versorgung von unmittelbar Operierten (bei ambulanten Operationen) zukommen, der ja auch gleichzeitig zur Entlastung der Pflegekräfte im Krankenhaus beiträgt.

Hier sollte zum einen eine Art Entlassmanagement für den ambulanten Bereich geschaffen werden; denn aus der Praxis erreichen die BAG SELBSTHILFE immer wieder Meldungen, dass Thrombosespritzen einfach (ohne jede Anleitung) mitgegeben werden oder Opiate beigefügte werden, ohne dass den Patient*innen überhaupt gesagt wird, worum es sich handelt, dass sie nicht Auto fahren oder auf Alkohol verzichten sollten. Hier könnten die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen als Ansprechpartner für die Patient*innen fungieren, wenn wieder einmal derartige Hinweise bei der Entlassung der Patient*innen vergessen wurden – was auch im ambulanten Bereich zu erwarten ist.

Das Vorhaben, bestimmte medizinische ambulante Leistungen in sogenannten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen in Kooperation mit Vertragsärzten anzubieten, setzt nicht nur eine Stärkung des hausärztlichen, sondern auch des fachärztlichen niedergelassenen Bereichs voraus. Hier wird heute schon an der Kapazitätsgrenze gearbeitet, aber Menschen mit seltenen Erkrankungen benötigen auch im niedergelassenen Sektor fachärztliche Unterstützung. Auf diesem Wege könnte auch die Vernetzung und Zusammenarbeit der an Kliniken angesiedelten krankheitsspezifischen B-Zentren sektorenübergreifend mit für Seltene Erkrankungen ausgewiesene fachärztliche Einrichtungen (C-Zentren) befördert werden, wie es die im Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) entwickelte Versorgungsstruktur für Menschen mit seltenen Erkrankungen vorsieht.

Die Option, dass zukünftige sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen auch Kurzzeit- (§42 SGBXI), Tages- und Nachtpflege (§41 SGBXI) anbieten, dient der Kapazitätserhöhungen und der Sicherung der Anschlussbehandlung. Der für die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen zugrundeliegende Versorgungsvertrag nach §72 SGBXI wird dann allerdings nicht mehr aus dem Topf der Krankenkasse finanziert, sondern aus der Pflegeversicherung und, sollten die Kosten den Pflegekostenanteil übersteigen, von den Versicherten selbst getragen werden müssen (Eigenkostenbeteiligung). Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, woher das für dieses Versorgungsangebot erforderliche Fachpersonal herkommen soll.

Im §115h Absatz 3, Punkt 1 werden explizit nur ältere und multimorbide Patientengruppen als Empfänger der medizinisch-pflegerische Versorgung aufgeführt. Hier muss aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE die Gruppe der pädiatrischen Patient*innen mit entsprechendem Bedarf ergänzt werden.

4. Qualitätsanforderungen: Nachweise/ Prüfungen und Verhältnis zur Qualitätssicherung des GBA

Die BAG SELBSTHILFE hält es für im Lichte der UN-BRK und des im Koalitionsvertrag verankerten Aktionsplan für ein diverses, barrierefreies und inklusives Gesundheitswesen für notwendig, dass zu den Mindestqualitätsanforderungen auch die Barrierefreiheit des Krankenhauses gehört, welche dann von den Medizinischen Diensten vor Ort geprüft werden sollte. Vorläufig könnte zur Feststellung der Barrierefreiheit dazu die Maßgaben des Anhangs 2 der Qualitätsbericht-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses verwendet werden.

Außerdem hält die BAG SELBSTHILFE den Wegfall der anlassbezogenen Prüfungen nicht für sinnvoll; wenn es Anhaltspunkte für Qualitätsdefizite gibt, sollten diese dann auch vor Ort überprüft werden sollen. Ohnehin hält die BAG SELBSTHILFE es für schwierig, dass die Prüfung vor Ort in Zukunft eher die Ausnahme sein soll, da es für Patient*innen nicht relevant ist, ob die Qualität auf dem Papier vorhanden ist, sondern ob sie in der Realität vor Ort umgesetzt wird.

Die BAG SELBSTHILFE hält es zudem für wichtig, dass die bisher im GBA unter Patientenbeteiligung erarbeiteten Standards zur Qualitätssicherung auch bei den Strukturmerkmalen verwendet werden. Es kann nicht gewollt sein, dass die mühsam im GBA entwickelten Qualitätsstandards erneut im Kontext der neuen Leistungsgruppen ausgearbeitet werden müssen. Die leidvollen Erfahrungen mit der Neuaufstellung der spezial-ärztlichen Versorgung (§ 116c neu SGB V) sollten Warnung genug sein, dass schon Erarbeitetes nicht zur Disposition gestellt werden sollte. Gerade bei dem Mangel an Ressourcen, sei es Personal oder Finanzen, sollten schon erarbeitete Standards weiter genutzt und darauf aufgebaut werden.

Insgesamt unterstützt die Patientenvertretung auch die Positionierung der GKV und der DKG zu den Plan-QI: Zwar konnte hier der gesetzliche Auftrag einer trennscharfen Herausnahme der Krankenhäuser mit defizitärer Qualität aus dem Krankenhausplan u.a. wegen der Heterogenität des Leistungsspektrums der Abteilungen nicht umgesetzt werden; trotzdem kann das Verfahren wichtige Leistungserbringerinformationen für die Landesbehörden zur Umsetzung der Krankenhausplanung liefern. Eine vollständige Streichung der Regelungen in §136c SGB V zu den planungsrelevanten Indikatoren erscheint deswegen nicht sachgerecht, vielmehr sollte eine entsprechende gesetzliche Anpassung erfolgen. So heißt es in dem Antrag zur Begründung: „Es ist weiterhin notwendig und sinnvoll, dass einrichtungsbezogen und mit fachlicher Bewertung versehene Auswertungsergebnisse zu Qualitätsindikatoren zur Prozess- und Ergebnisqualität den Planungsbehörden als Grundlage für qualitätsorientierte Entscheidungen der Krankenhausplanung zur Verfügung gestellt werden (evidence-informed policy-making). Hierfür sollten die Indikatoren künftig auch an den neuen Leistungsgruppen ausgerichtet werden und können damit eine wertvolle Information für die Planungsbehörden der Länder sein, um einen Überblick über die Qualität der Versorgung in den Kliniken des Bundeslandes zu haben oder um bei Bedarf auch Auswahlentscheidungen zu unterstützen. Dazu müssen allerdings einige bisher praktisch nicht umsetzbare Regelungen entsprechend angepasst werden. Beispielsweise sollte die verpflichtende Regelung, dass diese Indikatoren nach §6 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes Bestandteil des Krankenhausplans werden müssen und dass sie „in erheblichem Maß unzureichende Qualität“ messen können müssen, gestrichen werden, nicht jedoch die Regelungen insgesamt. Mit einer kompletten Streichung der Vorschrift gingen relevante Qualitätsinformationen für die Planungsbehörden der Länder verloren, die ihnen bisher vom G-BA zur weiteren Verwendung zu Verfügung gestellt werden.

§ 136c Absatz 1 SGB V sollte daher wie folgt gefasst werden:

Der Gemeinsame Bundesausschuss übermittelt den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden regelmäßig einrichtungsbezogen und mit fachlicher Bewertung versehene Auswertungsergebnisse der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1. Die Auswertungsergebnisse sollen sich dabei auch auf die Leistungsgruppen nach § 135e oder auf einzelne Leistungen einer Leistungsgruppe beziehen.

Absatz 2 wird gestrichen. Absätze 3 bis 6 werden zu Absätzen 2 bis 5.

§ 8 Absätze 1a, b und c) im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) werden gestrichen.“

Düsseldorf/ Berlin, 30. April 2024

 

Gesundheitspolitik
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