Lebensweltorientierte Selbsthilfearbeit - Konzeptpapier

Laufzeit: Januar 2015 - Dezember 2016
Förderung: BKK Dachverband

Projektbeschreibung

Das Selbsthilfeprinzip setzt zunächst einmal am gegenseitigen Austausch unter Gleichbetroffenen, an der gegenseitigen emotionalen Unterstützung und an der Gruppensituation an. Selbsthilfearbeit findet aber nicht im luftleeren Raum statt, sondern wirkt auch in Lebensbereiche hinein. Ob im Betrieb, in Schulen und Kindergärten, im Bereich des Sports – eine lebensweltorientierte Selbsthilfearbeit kann die verschiedensten Lebensbereiche gesundheitsorientiert verändern. Andererseits muss die Selbsthilfe die Struktur von Lebenswelten (bzw. „Settings“ als synonymer Anglizismus) adäquat erfassen und ihre Angebote dementsprechend ausrichten, um anschlussfähig zu sein. Schließlich ist zu beachten, dass die „Selbsthilfeszene“ für viele chronisch kranke und behinderte Menschen, aber auch für Angehörige eine Lebenswelt darstellt, die das gesundheitsbezogene Verhalten prägen kann.

Das Projekt verfolgte das Ziel, verschiedene typische Lebenswelten zu identifizieren, in die Selbsthilfe hineinwirkt. Daher wurde zum einen der Lebensweltansatz selbsthilfespezifisch aufgearbeitet und die relevanten Lebenswelten beschrieben. Zum anderen wurden anhand praktischer Beispiele die Erfolgsfaktoren und die Hemmnisse für eine lebensweltorientierte Selbsthilfearbeit herausgearbeitet. Auch die Selbsthilfe als Lebenswelt wurde ihrerseits beschrieben.

Die Projektergebnisse wurden in 2015 in einem Konzeptpapier zusammengefasst. Dabei wurden folgende Lebenswelten selbsthilfespezifisch betrachtet:

  • Betrieb
  • Kindertageseinrichtung
  • Schule
  • Hochschule
  • Krankenhaus
  • Pflegeheim / SeniorInnen-Heim
  • Quartier / Kommune
  • Familie
  • Sportverein

Das Konzeptpapier „Lebensweltorientierte Selbsthilfe“ soll die Grundlage für eine lebensweltbezogene Konzeption künftiger Selbsthilfeprojekte liefern.


Der Lebenswelt-Ansatz bietet eine ganz spezifische neue konzeptionelle Grundlage für die Selbsthilfearbeit. Es besteht jedoch die Notwendigkeit, das Wissen zu diesem Ansatz bei den Verantwortlichen in der Selbsthilfe zu verbreiten bzw. zu vertiefen. Ferner bedarf es einer umfassenden Analyse zu der Frage, ob die bislang von der Selbsthilfe in Lebenswelten umgesetzten Maßnahmen optimal an die dort geltenden Rahmenbedingungen angepasst wurden. Ggf. muss das Optimierungspotential aufgezeigt bzw. müssen Good-Practice-Beispiele verbreitet werden. Daher wurde im Rahmen des Projekts das bestehende Konzeptpapier zu einem Schulungskonzept zur Sensibilisierung und Wissensvermittlung weiterentwickelt und im Rahmen der „Zukunftswerkstatt Selbsthilfe“ am 22. November 2016 in Berlin den Mitgliedsverbänden der BAG SELBSTHILFE vorgestellt.

Der Lebenswelt-Ansatz (Kurzinformation)

Das übergeordnete Ziel des Lebenswelt-Ansatzes ist, die Gesundheitspotenziale/-risiken einer Lebenswelt zu identifizieren und innerhalb dieser Lebenswelt integrative Veränderungsprozesse zu forcieren und begleitend zu unterstützen. Die Veränderungsprozesse sollen dabei über die Einwirkung auf das Gesundheitsverhalten der betreffenden Personen (Verhaltensorientierung) und den Auf- und Ausbau gesundheitsgerechter Verhältnisse (Verhältnisorientierung) auf die Erhaltung und nachhaltige Optimierung der gesundheitsbezogenen Konstellationen in der jeweiligen Lebenswelt abzielen. Dieses Ziel steht stets unter der Prämisse der Partizipation und des Empowerments aller in der Lebenswelt beteiligten Gruppen und Organisationen.

Neben der Verankerung des Lebenswelt-Ansatzes im „Leitfaden Prävention“ des GKV-Spitzenverbandes erfährt der Lebenswelt-Ansatz auch und vor allem durch das im Juli 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz eine starke Integration und Fokussierung innerhalb der Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland.

Der Lebenswelt-Ansatz ermöglicht in mehrfacher Hinsicht einen konzeptionellen Perspektivenwechsel für die Selbsthilfearbeit:

Wirkung von Maßnahmen und Projekten
Betrachtet man die Selbsthilfe als einen Akteur, der im Rahmen der Lebenswelten von betroffenen Menschen tätig wird, dann kann die Durchführung von Maßnahmen und Projekten zielgerichtet geplant werden. Wer die Menschen mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten erreichen will, wer Menschen für die Selbsthilfe begeistern will, der sollte die Lebenswelten gut kennen, in denen diese Menschen zu Hause sind. Es gilt zu erheben, welche Organisationsstruktur relevant ist, ob die Maßnahme/das Projekt auf örtlicher Ebene, in der Region oder auf Bundesebene ansetzt, in welcher Lebenslage sich die Menschen, die man ansprechen will, befinden und welche gemeinsamen Werte und Präferenzen sie haben.

Kurz: Es geht darum, die betreffenden Lebenswelten zu analysieren und auf der Basis dieser Analyse die Selbsthilfearbeit zu planen.

Bezogen auf die jeweiligen Lebenswelten können aber auch die Erfahrungen, die mit der Umsetzung von Maßnahmen und Projekten dort gemacht wurden, strukturiert ausgewertet werden. Daher wird es künftig darum gehen, eben diese Erfahrungen zu Maßnahmen beispielsweise in Kindertagesstätten, Betrieben, Reha-Kliniken zu analysieren.

Schließlich erlaubt es der Lebenswelt-Ansatz, dass sich die Selbsthilfearbeit nicht nur individualistisch auf den (persönlichen) Umgang mit Erkrankungen oder Behinderungen bezieht, sondern dass die Zielrichtung verfolgt werden kann, ganze Settings, wie bspw. Schulen betroffenen- bzw. selbsthilfefreundlich auszugestalten.

Selbsthilfe als Akteur erkennbar machen
Der Lebenswelt-Ansatz erlaubt es aber auch, die Selbsthilfearbeit für andere Akteure anschlussfähig zu machen, da Selbsthilfe sich so als ein klar definierter Akteur im Setting herausstellen und strukturiert in Kooperationsbeziehungen mit anderen Akteuren eintreten kann.

Identifizierung von weiteren Lebenswelten
Anhand des methodischen Know-hows zur Analyse von Lebenswelten können aber auch weitere, für die Selbsthilfearbeit relevante Lebenswelten identifiziert werden. Zu denken ist hier bspw. an Einrichtungen der Behindertenhilfe oder die Funktionstrainingsgruppen.

Akquise von Mitgliedern
Wer sich im Klaren darüber ist, in welchen Lebenslagen sich die Menschen einer Lebenswelt befinden, welche Werte und Präferenzen sie teilen, der wird diese Menschen auch besser für seine Angebote erreichen können. Daher ermöglicht es der Lebenswelt-Ansatz auch, spezifische Maßnahmen der Mitglieder- und Nachwuchsgewinnung zu ergreifen.


Weitere Informationen enthält das Konzeptpapier „Lebensweltorientierte Selbsthilfe“.

Konzeptpapier