Kampagne #WirFürUnsereKinder

#WirFürUnsereKinder – Familien mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen unterstützen!

Onlineprotestaktion zum Weltkindertag am 20. September 2020

­­Wir veranstalten eine Online-Demonstration und rufen euch dazu auf, uns zu unterstützen und mitzudemonstrieren. Behinderte und chronisch kranke Kinder und Jugendliche sowie deren Angehörige brauchen vollumfängliche Unterstützung und dürfen nicht durch die Raster von Gesetzestexten fallen.

Rund 10 % aller vier- bis siebzehnjährigen Kinder in Deutschland sind chronisch krank oder behindert. Mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung aufzuwachsen und erwachsen zu werden ist für Betroffene sowie Angehörige, eine besondere Herausforderung, die mit ganz individuellen Problemstellungen einhergeht. Ob Versorgungslücken beim Übergang von pädiatrischer Medizin zu Erwachsenenmedizin, unzureichend abgedeckte Arzneimittelforschung für Kinder oder zu geringe Mittel um familienorientierte Rehabilitationsmaßnahmen ermöglichen zu können. Diese Zielgruppe bedarf einer besonderen Unterstützung und konkreten Lösungen um die Teilhabe an der Gesellschaft zu gewährleisten. Mit dieser Protestaktion wollen wir diese besonderen Bedarfe in den Fokus der Öffentlichkeit und der Politik rücken.

Wir haben konkrete Forderungen aufgestellt und unter dem Hashtag #WirFürUnsereKinder wird in der Zeit vom 14. bis 24. September 2020 in den Sozialen Medien gezeigt werden, dass wir uns alle zusammen für den Schutz und die Rechte von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen stark machen. Gemeinsam können wir ein Zeichen setzen und ein Umdenken in der Politik vorantreiben. Je mehr mitmachen, desto lauter und nachhaltiger wird unser Protest.

Ich will mitmachen, was kann ich tun?

1. Kommt zu unseren Kundgebungen!
Für zwei Wochen lang veranstalten wir jeden Tag eine Online Kundgebung auf unseren Social Media „Marktplätzen“. Bei Facebook und Instagram könnt ihr euch Hintergrundinformationen und Bilder mit dem Aufruf zur Unterstützung anschauen und diese teilen. Kommentiert eure Unterstützung und ladet andere dazu ein mit dabei zu sein. Erzählt im Vorfeld auch gern schon euren Kontakten von unserem Vorhaben und ladet andere Mitglieder aus euren Verbänden dazu ein mitzumachen.

2. Bastelt ein Schild!
Wir haben Protestschilder-Sharepics erstellt, die wir nach den Kundgebungen in den Sozialen Medien verbreiten. Ihr könnt euch beteiligen, indem ihr unsere Schilder teilt. Oder ihr bastelt eure eigenen Schilder mit euren eigenen Forderungen. Dazu könnt ihr eurer Kreativität freien Lauf lassen. Ihr könnt zum Beispiel ganz analog ein Pappschild basteln und dann ein Foto davon hochladen. Oder ihr nutzt unsere Bildvorlage, mit Platz für euren Forderungen, zur digitalen Bearbeitung.

3. Demonstriert mit uns!
Unser Protestzug wird durch das Internet ziehen und je mehr sich beteiligen, desto mehr Gehör können wir uns verschaffen. Teilt euer Protest-Schild mit euren Forderungen und markiert die
BAG SELBSTHILFE in euren Beiträgen. Nutze den Hashtag #WirFürUnsereKinder damit wir euren Beitrag finden und teilen können. Verlinkt auch euren Selbsthilfeverband, damit es über die entsprechenden Kanäle geteilt wird. Außerdem könnt ihr die Beiträge von anderen Aktiven teilen, die euch selbst gut gefallen. So vernetzt können wir richtig viele Menschen erreichen.

Materialien zum Download

Die folgenden Dateien sind zur freien Verfügung nutzbar und teilbar.

Anleitungsvideo (ca. 3 Min)

Anleitungsvideo (Kurzversion 1:05 Min)

Aufruf als PDF  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen

Sharepics Facebook

Sharepics Instagram

Sharepics Stories

Vorlagen

Auf den Vorlagen haben eure ganz persönlichen Anliegen und Forderungen zum Thema chronisch kranke Kinder und Jugendliche Platz. Ladet euch die Vorlage herunter und nutzt den neuen BAG SELBSTHILFE Sharepic Generator um eure Forderungen auf das Bild zu bekommen. Oder druckt es aus, schreibt eure Forderung auf den Ausdruck und ladet ein Foto davon auf den Sozialen Netzwerken hoch.

Download: Vorlagen für Facebook

Download: Vorlagen für Instagram

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14.09.2020
Medikamente auf die Bedarfe von Kindern abstimmen!

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Medikamente werden bei ihnen in vielen Fällen anders aufgenommen, da beispielsweise der Stoffwechsel anders arbeitet. Trotzdem gibt es häufig keine Studien zum Einsatz von Medikamenten bei Kindern mit der Folge, dass diese Arzneimittel bei ihnen außerhalb des Zulassungsbereiches verordnet werden (Off-Label). Aber wenn Medikamente für Erwachsene Off-Label an Kinder verabreicht werden, so kommt es deutlich häufiger zu unerwünschten Nebenwirkungen als bei Erwachsenen mit der entsprechenden Erkrankung.

Auch wenn inzwischen für die Zulassung auf europäischer Ebene eine entsprechende Studie für Kinder vorgeschrieben ist, werden nach wie vor viele Medikamente Off-Label verordnet, insbesondere bei seltenen Erkrankungen. Hinzu kommt, dass auch die Erstattung eines solchen Medikamentes schwierig ist, da die Krankenkassen diese zunächst genehmigen müssen. Vor diesem Hintergrund wäre es dringend notwendig, die Durchführung von klinischen Studien bei Kindern zu fördern; gleichzeitig sollten aber auch die Anwender dieser Medikamente verpflichtet werden, umfassend die damit verbundenen Nebenwirkungen und Erfahrungen zu dokumentieren. Die an sich bereits bestehende Meldepflicht von Nebenwirkungen wird nach unserer Erfahrung noch zu wenig wahrgenommen.

Zwar beinhaltet die ab 2008 geltende EU-Kinderverordnung mit ihrer PIP-Konzept durchaus Chancen für Verbesserungen: Denn danach muss seit Mitte 2008 für jedes neu zuzulassende Arzneimittel ein pädiatrisches Prüfkonzept bei Einreichung der Zulassungsunterlagen vorgelegt werden, in dem das geplante Entwicklungsprogramm für eine Anwendung an Kindern beschrieben wird (PIP: Paediatric Investigation Plan). Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung kann nur durch den Pädiatrieausschuss in Form einer Freistellung erfolgen. Hinsichtlich des Bestandsmarktes sollte die sog. PUMA-Zulassung (Paediatric use marketing authorisation (PUMA)) helfen: Hier kann eine Genehmigung eines zugelassenen Erwachsenen Medikamentes zur Verwendung bei Kindern erfolgen, wenn eine entsprechende Studie vorgelegt wird. Der Hersteller erhält hierfür eine spezielle Form des Patentschutzes, den sog. Unterlagenschutz: Andere Pharmafirmen dürfen die Erkenntnisse aus den Kinderstudien zehn Jahre lang nicht nutzen, sodass der Hersteller solange exklusiv vom Verkauf profitiert.

Gleichwohl scheinen beide Konzepte in der Praxis nicht zu funktionieren: Bis 2019 wurden nur 6 PUMA- Anträge gestellt und bewilligt; im Jahr 2019 erfolgte kein einziger Antrag. Im Bereich der neuen Arzneimittel haben die Hersteller zwar hunderte PIP- eingereicht; diese seien aber bloße Absichtserklärungen geblieben, da die Hersteller das Arzneimittel auch ohne Durchführung der entsprechenden Studien auf den Markt bringen dürfen.

Vor diesem Hintergrund fordert die BAG SELBSTHILFE, dass Erwachsenenarzneimittel nur dann auf den Markt gebracht werden dürfen, wenn der Hersteller zusichert, die vorgeschlagene PIP-Studie innerhalb einer genau festzulegenden Frist durchzuführen. Auch bzgl. der Förderung der PUMA-Zulassungen des Bestandsmarktes wäre zu fordern, eine Verpflichtung zur Durchführung von entsprechenden Studien des Arzneimittels bei häufiger Verwendung in der Pädiatrie gesetzlich zu verankern.

Die BAG SELBSTHILFE fordert daher: Der Off-Label-Use von Erwachsenenarzneimitteln bei Kindern muss verschwinden!

15.09.2020
Lücken schließen beim Übergang vom Kinderarzt zum Facharzt!

Beim Übergang von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin besteht derzeit das Risiko, dass die betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Therapie abbrechen oder wichtige Medikamente nicht einnehmen – oft mit schweren Folgen z.B. Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen. Denn für die Heranwachsenden stehen während der Pubertät oft andere Fragen im Vordergrund, wie etwa Sexualität, Ablösung vom Elternhaus und Planung des beruflichen Lebens. Vor diesem Hintergrund kommt die Befassung mit der eigenen Erkrankung häufig zu kurz. Gleichzeitig ist der Übergang von Seiten des medizinischen Systems nur unzureichend koordiniert; notwendige Übergangssprechstunden bei Ärzten, flexible Lösungen für die Altersgrenzen zwischen Kinder- und Erwachsenenmedizin sind nur in Einzelfällen vorhanden.

Dabei betrifft das Problem viele Jugendliche: Laut einer Studie der Rheuma-Liga bricht ein Drittel der Jugendlichen die Behandlung beim Wechsel von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin ab. Hier wäre es dringend notwendig, flächendeckend Strukturen für einen geordneten Übergang von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin zu schaffen. Bereits 2009 hatte dies auch der Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten gefordert. Erforderlich wäre etwa eine bessere Vernetzung der beteiligten Akteure – auch mit der Selbsthilfe, Übergangssprechstunden und eine hinreichende Vergütung des Prozesses.

Wir fordern, dass chronisch kranke Kinder und Jugendliche, die volljährig werden, nicht in eine Lücke zwischen pädiatrischer Versorgung und Erwachsenenmedizin fallen dürfen! Um betroffenen Jugendliche bessere Übergänge in die Erwachsenenmedizin zu ermöglichen, sind zunächst einmal flexiblere Altersgrenzen notwendig: Denn nicht nur die Systemunterschiede zwischen Erwachsenen- und Kindermedizin erschweren den Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter. Auch die fachliche Unkenntnis viele Fachärzte von bestimmten Krankheitsbildern, die früher nur im Kindesalter auftraten bzw. bei denen die Betroffenen das Erwachsenenalter nicht erreichten (z.B. angeborene Herzfehler), erschweren die fachgerechte Betreuung. Hinzu kommt, dass nicht jeder Jugendliche auf dem gleichen persönlichen Entwicklungsstand ist. Hier wären Alterskorridore für die Gestaltung des Übergangs z.B. vom 16. Bis zum 27. Lebensjahr hilfreich; derzeit erhalten Kinderärzte nach dem 18. Lebensjahr keine Erstattung mehr für die Behandlung der Jugendlichen, trotzdem sie oft deutlich besser mit dem Betroffenen, seinem Krankheitsbild und seiner persönlichen Entwicklung vertraut sind. In Einzelfällen sollten Kinderärzte auch dauerhaft berechtigt sein, ihre PatientInnen zu begleiten, etwa wenn entsprechend in der Erkrankung zertifizierte oder fortgebildete Fachärzte fehlen.

Ferner sollten Übergangssprechstunden bei den Kinderärzten ab dem 16. Lebensjahr angeboten und entsprechend vergütet werden, an denen die Betroffenen über die neue Versorgung in der Erwachsenenmedizin aufgeklärt und darauf vorbereitet werden- ggf. unter Einbeziehung weiterer Leistungserbringer wie Physiotherapeuten. Zudem sollten Fachärzte, die für die Erwachsenenmedizin zuständig sind, verpflichtet werden, Termine für junge Betroffene bereitzustellen; ein Grund dafür, dass viele Betroffene aus der Versorgung herausfallen, sind nämlich auch die langen Wartezeiten auf Termine in manchen Bereichen der Erwachsenenmedizin. Auch in entsprechenden Einrichtungen müssen hinreichend viele multiprofessionelle Übergangsangebote für Heranwachsende zur Verfügung stehen.

Schließlich sollte das Thema Transition in die Weiterbildungsordnung aufgenommen werden, damit seitens der Ärzte hinreichende Fachkenntnisse und ein entsprechendes Bewusstsein für diese Thematik vorhanden ist.

16.09.2020
Familien nicht alleine lassen: Familienorientierte Rehabilitation muss gestärkt werden!

Eine chronische Erkrankung oder Behinderung eines Kindes kann zu enormen Belastungen innerhalb einer Familie führen. Umso wichtiger ist es, dass Familien mit betroffenen Kindern, wenn möglich wohnortnah, mit rehabilitativer Versorgung aufgefangen werden, in der alle Familienmitglieder berücksichtigt werden. Da jedes einzelne Familienmitglied individuelle medizinische und psycho-soziale Hilfe benötigt, werden alle Familienmitglieder bei der familienorientierten Rehabilitation (FOR) eingebunden.

Aber bisher sind noch wenig bis keine familienorientierten Angebote der Rehabilitation vor Ort vorhanden und die Bezeichnung „Familienorientierte Rehabilitation“ war bisher kein geschützter Begriff. Rehabilitationskliniken arbeiten häufig nach fachlich standardisierten Konzepten. Viele Familien, die eine stationäre oder auch ambulante familiengerechte Rehabilitation in Anspruch nehmen möchten, müssen feststellen, dass die Versorgung nicht bedarfsgerecht zur Verfügung steht. Dies führt dazu, dass Erfolge, die im Rahmen von Aufenthalten in Kliniken erreicht wurden, aufgrund mangelnder Unterstützung im Anschluss an den Aufenthalt nicht gehalten werden können und dadurch zunichte gemacht werden.

Zwar wurden im Flexirentengesetz wichtige Weichenstellungen für die familienorientierte Rehabilitation geschaffen: Nach § 15a SGB VI ist die Rehabilitation bei Kindern eine Pflichtleistung, soweit „eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder die insbesondere durch chronische Erkrankungen beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann und dies Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben kann“. Kinder haben dabei „Anspruch auf Mitaufnahme einer Begleitperson, wenn diese für die Durchführung oder den Erfolg der Leistung zur Kinderrehabilitation notwendig ist und der Familienangehörigen, wenn die Einbeziehung der Familie in den Rehabilitationsprozess notwendig ist.“ Barrieren wie Budgetbeschränkungen oder eine Wiederholungsfrist bestehen im Flexirentengesetz nicht mehr.

Weiterhin kann die Familienorientierte Reha nach SGB V § 40 Abs. 2 bei der Krankenkasse beantragt werden.

Damit ist der Anspruch auf familienorientierte Rehabilitation im Grundsatz gesetzlich geregelt. Allerdings werden durchaus nicht alle Anträge positiv beschieden. Der Rententräger beurteilt in seiner Bewilligung sehr genau, ob die Familienorientierte Reha einen positiven Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit des oft noch sehr jungen, chronisch kranken Kindes haben kann. Ablehnungen werden nicht selten mit der fehlenden Aussicht auf eine gelingende Erwerbstätigkeit begründet. Gleichzeitig begründen die Krankenkassen eine Ablehnung der Familienorientierten Reha damit, dass das Kind austherapiert ist und eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation durch eine stationäre Rehabilitation nicht zu erwarten ist. Oft wird in der Ablehnung auf die fehlende Nutzung der ambulanten Rehabilitationsmöglichkeiten als vorrangige Hilfestellung hingewiesen. Einen konkreten Hinweis auf niedergelassene Familientherapeuten bekommen die Familien jedoch nicht. Die Verfügbarkeit geeigneter Therapeuten vor Ort ist minimal.

Nach wie vor sind jedoch die Wartezeiten bei einem Antrag auf familienorientierte Reha viel zu lang; hier müssen die Verfahrensabläufe gestrafft werden, damit betroffene Familien zeitnah Hilfestellungen erhalten. Im Übrigen gibt es bei weitem nicht genügend Reha-Plätze für alle bedürftigen Familien.

Die BAG SELBSTHILE fordert daher: Familien nicht alleine lassen. Die familienorientierte Rehabilitation muss gestärkt werden!

17.09.2020
Junge vulnerable Patienten nicht alleine lassen!

Ist ein Familienmitglied von einer Behinderung und/oder chronischen Erkrankung betroffen, bedeutet dies häufig, zu den Risikogruppen zu gehören. Die Familien sehen, dass nach dem Lockdown Lockerungsmaßnahmen eingeführt werden. Und sie müssen erfahren, dass auf ihre besondere Situation nicht genügend geachtet wird.

In vielen Lebensbereichen werden Regelungen eingeführt, durch die der „Normalbetrieb“ vor Corona ersetzt wird. Aber es werden dabei keine oder zu wenige Regelungen eingeflochten, die flexible Lösungen für die individuellen Situationen gerade der Familien mit besonderen Risiken ermöglichen.

Schon vor der Krise waren viele betroffene Familien stark belastet, zum Beispiel indem Eltern die eigene Berufstätigkeit unter einen Hut bringen mussten damit, dass sie für ihr Kind gesundheitsbezogene Untersuchungstermine, längere Aufenthalte in Kliniken oder Hilfen für den Besuch einer Betreuungs- oder Bildungseinrichtung mit vielen verschiedenen zuständigen Stellen abklären und tagtäglich organisieren mussten. In ähnlicher Weise waren etwa auch pflegende Angehörige herausgefordert.

Die Erfahrung, permanent „nah am Limit“ zu sein und mit eigenen Bedürfnissen nicht zum Zuge zu kommen, aber auch die Erfahrung, sozial isoliert zu werden, verschärft sich in Zeiten der Pandemie. Es gibt Angst vor einer Abwärtsspirale, davor, die benötigten Hilfen und die benötigte Versorgung nicht zu bekommen. Alle Lockerungsmaßnahmen müssen absichern, dass betroffene Familien sich Gehör verschaffen können und dass individuell passende Lösungen ermöglicht werden.

Regelungen für verschiedene Bereiche (z.B. Freizeit, Betreuung, Bildung, Angebote und Leistungen sozialrechtlich finanzierter Dienste und Angebote) werden im Zusammenhang der Lockerungsmaßnahmen immer wieder aufs Neue geändert. Die Institutionen und Einrichtungen bzw. deren Träger, die dies umzusetzen haben, haben entsprechend immer wieder für „neue Normalitäten“ zu sorgen und sie haben keine oder wenig Kapazitäten für Familien mit besonderen Bedarfen.   

Deshalb fordert die BAG SELBSTHILFE: Flexible Lösungen, die aus Sicht der einzelnen Familien mit besonderen Bedarfen passen, müssen von Vornherein Teil von eingeführten Regelungen sein. Wo Familien Corona-bedingt zusätzliche Bedarfe an Hilfe, Unterstützung und Versorgung haben, muss dies abgesichert werden. Benötigte Hilfen und Leistungen müssen aufeinander abgestimmt werden.

Außerdem müssen transparente und verständliche Informationen über neue Sachstände bei Familien rechtzeitig und auf geeigneten Wegen ankommen. Informations- und Beratungsangebote, insbesondere auch von gemeinnützigen Organisationen, sind daher personell und sachlich verlässlich zu finanzieren.

18.09.2020
Psychischen Begleiterkrankungen vorbeugen!

Die Belastungen, die mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen verbunden sind, aber beispielsweise auch die Auswirkungen von Medikamenten, bergen ein erhöhtes Risiko zur Entstehung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Statistisch gesehen entwickeln Kinder und Jugendliche mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung häufiger psychische Erkrankungen als Gleichaltrige.  
Depressionen, Angststörungen oder psychosomatische Krankheiten können im Alltag von Heranwachsenden so schwerwiegende Belastungen bedeuten, dass sich Betroffene zurückziehen und Schulbesuche, alltägliche Aktivitäten und soziale Kontakte vermieden werden. Das kann zur Folge haben, dass Chancen auf Bildung, Ausbildung und Möglichkeiten für das spätere Berufsleben beeinträchtigt werden. Möglichkeiten vorzubeugen und drohende psychische Belastungen früh zu erkennen werden viel zu wenig genutzt und die aktive Zusammenarbeit mit Selbsthilfe wird von fachlicher Seite selten gesucht. 

Erster Ansprechpartner im Kindesalter ist für die Betroffenen oft der Arzt – auch durch das Erfordernis regelmäßiger U-Untersuchungen. Hier können im Gespräch Hilfestellungen ansetzen; insoweit sollte insbesondere die sprechende Medizin in der ambulanten Versorgung besser vergütet werden. Denn ob überhaupt Anhaltspunkte für psychische Erkrankungen vorliegen, wird der Kinderarzt oft nur in einem intensiven Gespräch mit dem Kind und den Eltern erfahren können. Fragebögen werden hierfür nicht für zielführend erachtet, zumal sie unter Umständen auch kontraproduktiv wirken können, da sich Eltern in ihren Fähigkeiten als Eltern bewertet fühlen und daraufhin die U-Untersuchungen nicht mehr wahrnehmen. Ergänzend sollten die Eltern auch auf Hilfsangebote der Selbsthilfe oder auch der Frühen Hilfen hingewiesen werden müssen, damit auch insoweit Unterstützungsmöglichkeiten bekannt werden. Oftmals ist es sowohl für Eltern als auch für Kinder enorm entlastend, wenn sie sich mit anderen Eltern bzw. Kindern über ihre Erkrankung und die damit einhergehenden Belastungen austauschen können.

Doch nicht nur in der ambulanten Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit entsprechenden Erkrankungen liegt vieles im Argen-. PatientInnen, deren Angehörige und die MitarbeiterInnen der psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Kliniken sind infolge von Arbeitsverdichtung und unzureichenden Personalschlüsseln am Limit. Insoweit muss die Vergütung nun endlich so erfolgen, dass flächendeckend und in allen Altersgruppen ausreichend Personal und genügend Zeit für eine gute Behandlung zur Verfügung steht.

Die BAG SELBSTHILFE fordert daher: Psychischen Belastungen durch zielgruppengerechte Unterstützungsangebote vorbeugen, Psychische Belastungen frühzeitig erkennen und behandeln, die Bedeutung der Selbsthilfe für den eigenständigen Umgang mit der Erkrankung anerkennen!

20.09.2020
Kinderrechte schaffen Zukunft!

Jedes Jahr am 20. September feiern wir in Deutschland Weltkin­der­tag. Dieser besondere Tag soll auf die speziellen Rechte der Kinder aufmerksam machen und Kinder mit ihren individuellen Be­dürf­nis­sen in den Fokus rücken. In diesem Jahr steht der Weltkindertag unter dem Motto Kinderrechte schaffen Zukunft! Weitere Infos dazu finden Sie hier: https://www.weltkindertag.de/

Als BAG SELBSTHILFE unterstützen wir den Weltkindertag und setzen uns besonders für chronisch kranke Kinder und ihre Familien ein. Gerade Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen benötigen häufig besondere Unterstützung für ihre körperliche und psychische Entwicklung, damit sie später ihr Leben möglichst selbstbestimmt und eigenständig führen können. Damit dies gelingen kann, muss das Versorgungssystem jedoch auch auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sein. Dies bedeutet: Es müssen sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung flächendeckend hinreichende Angebote für Kinder und Jugendliche vorhanden sein; derzeit ist die finanzielle Ausstattung der Kinder- und Jugendmedizin fast durchgehend unzureichend. So gelten Kinderkliniken oder -abteilungen als chronisch defizitär; auch im ambulanten Bereich ist das Einkommen der Kinderärzte zumeist unter dem Durchschnitt der ambulant tätigen Ärzte. Die Folge: Kinderkliniken schließen, vielfach gibt es so wenig ambulant tätige Kinderärzte, dass die Menschen Schwierigkeiten haben, die vorgeschriebenen U-Untersuchungen durchführen zu lassen. Für chronisch kranke und behinderte Kinder und Jugendliche bedeutet dies, dass ihre Erkrankung oder Behinderung oft nicht bestmöglich behandelt oder ausgeglichen werden kann. Im Ergebnis laufen sie von daher Gefahr, dass sie in ihrer Entwicklung unter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.

Von daher gehört es zur Ausübung der Kinderrechte auch, dass das Versorgungssystem in diesem Bereich hinreichend ausgestattet ist; Fallpauschalen müssen entweder hinreichend angepasst oder abgeschafft werden; der Einheitliche Bewertungsmaßstab muss ebenfalls diesbezüglich überarbeitet werden. Schließlich gilt es auch, den chronisch unterfinanzierten Öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken, um im Rahmen von Früherkennungs- und Vorsorgemaßnahmen in Schulen Erkrankungen frühzeitig erkennen zu können und einer Behandlung zugänglich zu machen.

Die BAG SELBSTHILFE fordert daher: Das Versorgungssystem auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen auszurichten und insbesondere diesen Bereich finanziell besser auszustatten.

21.09.2020
Zuständigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe anpassen und entbürokratisieren!

Nach wie vor ist die Schnittstelle zwischen dem SGB VIII und dem SGB XII/IX nicht so gestaltet, dass alle Kinder und Jugendlichen, mit und ohne Behinderungen, effektiv und einheitlich durch das Hilfesystem unterstützt werden können. Ferner sind sogar die Regelungen für Kinder/Jugendliche mit Behinderungen in unterschiedlichen Sozialgesetzbüchern zu finden: Liegt eine seelische Behinderung vor, so ist das SGB VIII einschlägig, bei einer geistigen oder körperlichen Behinderung das SGB XII/ SGB IX. Für eine solche Ungleichbehandlung gibt es keinen Grund; sie schafft zudem Unklarheiten über die jeweils geltenden Ansprüche, die entsprechenden Verfahren und die Schnittstellen zwischen den Regelungsbereichen.

Hier setzt die früher als sog. Große nunmehr als "inklusive Lösung“ bezeichnete Zusammenführung aller Zuständigkeiten im SGB VIII an. Diese folgt dem Gedanken, wonach es In der inklusiven Gesellschaft keine definierte Normalität gibt, die jedes Mitglied dieser Gesellschaft anzustreben oder zu erfüllen hat. Normal ist allein die Tatsache, dass Unterschiede vorhanden sind. Insoweit ist es folgerichtig, die Ansprüche aller Kinder – ob behindert oder nicht – an einem Ort zu regeln. Sie entspricht auch der UN-Behindertenrechtskonvention: Artikel 7 Absatz 1 der geltenden UN-Behindertenrechtkonvention fordert, alle nötigen Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können.

Die BAG SELBSTHILFE befürwortet insoweit eine solche inklusive Lösung. Damit sie nicht Verschlechterungen für die Betroffenen mit sich bringt, muss sie allerdings folgende Bedingungen erfüllen:

Keine Leistung, die heute in der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit Behinderung und ihre Familien zur Verfügung steht, darf auf dem Weg ins SGB VIII verloren gehen.

22.09.2020
Antragsstellungen für Hilfeleistungen vereinfachen!

Rund 83 Prozent der Eltern behinderter Kinder klagten in einer Umfrage des AOK Bundesverbandes von 2014 über bürokratische Hürden. Nach wie vor ist der „Papierkrieg“ für Eltern chronisch kranker und behinderter Kinder ein sehr großes Problem. Dies betrifft zum Beispiel die Beantragung von Hilfsmitteln, die oft pauschal ohne hinreichende Begründung abgelehnt werden; auch die Genehmigung der Medikamente, für die es keine „Kinder-Zulassung“ (Off-Label-Use) gibt, muss beantragt werden. Häufig müssen die Betroffenen dann in ein Widerspruch- oder Klageverfahren gehen, um die beantragte Leistung zu erhalten.

Neben der Versorgung eines chronisch kranken oder behinderten Kindes ist dies eine enorme Belastung für die Eltern. Vor diesem Hintergrund brauchen Eltern hier dringend Unterstützung. Dies könnte beispielweise dadurch geschehen, dass Eltern von chronisch kranken oder behinderten Kinder Beratungshilfescheine unabhängig von ihrem Einkommen erhalten, um sich rechtlich beraten lassen zu können.  Ferner sollten unabhängige Beratungsangebote vor Ort geschaffen werden, welche den Menschen bei der Antragsstellung helfen.

Die BAG SELBSTHILFE fordert daher folgende Unterstützungsangebote für Eltern von chronisch kranken Kindern: Ein flächendeckend vorhandenes Netz von trägerunabhängigen Pflegestützpunkten zu etablieren, welche die Eltern umfassend beraten und welche mit der Selbsthilfe kooperieren. Bisher fand die Beratung durch die UPD – vor allem nach dem Trägerwechsel - überwiegend am Telefon oder per E-Mail statt. Eltern behinderter Kinder, welche digital noch nicht so affin sind, benötigen jedoch häufig auch eine Beratung und ein Unterstützungsangebot vor Ort. Auf entsprechende Beratungsangebote der Selbsthilfe sollte hingewiesen werden; soweit solche Angebote nicht vorhanden sind, sollte die Möglichkeit geschaffen werden, sich – unabhängig vom Einkommen- über einen Beratungshilfeschein beim Anwalt beraten zu lassen.

23.09.2020
Sicherstellung der interdisziplinären Frühförderung!

Wenn Kinder Entwicklungsauffälligkeiten oder Behinderungen haben, brauchen sie möglichst früh umfassende und spezielle Unterstützung, um ihre körperlichen, seelischen und sozialen Fähigkeiten gezielt zu fördern. In der sog. Frühförderung gibt es dabei Hilfestellungen verschiedenster Art, z.B. Krankengymnastik, Ergotherapie zur Förderung der Handlungsfähigkeit und Logopädie zur Förderung der Sprachfähigkeiten. Insgesamt wirken in Frühförderstellen, Sozialpädiatrischen Zentren und seit Januar 2018 auch in anderen nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen (bisher nur in Hamburg) unterschiedliche Berufsgruppen interdisziplinär zusammen: Ärzte, Therapeuten, Psychologen und Heilpädagogen. Durch dieses Zusammenwirken können die speziellen Fördermaßnahmen zeitnah und koordiniert umgesetzt werden; zudem beinhaltet die Frühförderung auch die Beratung, Anleitung und Unterstützung der Eltern.

Frühförderung wird als Komplexleistung von verschiedenen Kostenträgern, d.h. den beteiligten Rehabilitationsträgern finanziert (Krankenkasse und Träger der Eingliederungshilfe). Dies bedingt im Regelfall auch, dass die Kosten der Maßnahme gemeinsam getragen werden. Je nachdem, wo der Schwerpunkt der Maßnahme liegt, kann jedoch auch nur ein Träger der Verantwortliche sein.

Seit Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetze im Januar 2018 werden in verschiedenen Bundesländern die Rahmenverträge zur Frühförderung überarbeitet und die Kostenteilung teilweise neu geregelt.

Die BAG Selbsthilfe fordert daher: Da es in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit der Finanzierung der interdisziplinären Frühförderung gab, muss für die Zukunft sichergestellt sein, dass diese stabil, qualitätsgesichert und flächendeckend ausgestaltet ist, so dass Eltern von Kindern mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen überall in Deutschland darauf vertrauen können, dass ihnen eine Förderung zur Verfügung steht.

24.09.2020
Barrieren in Schulen abbauen!

Die Situation chronisch kranker und behinderter Kinder in der Schule ist ein wichtiges Thema in der Selbsthilfe. Oftmals suchen betroffene Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern Rat bei Gleichbetroffenen, wenn es um die Bewältigung des Schulalltags geht. Immer wieder gilt es, besondere Situationen zu meistern, seien es ein Ausflug, eine Klassenfahrt, die Anforderungen des Sportunterrichts oder aber beispielsweise eine erkrankungskonforme Ernährung in der Schule. Da vielfach auch die Lehrerinnen und Lehrer Neuland betreten, wenn es darum geht, chronisch kranken und behinderten Kindern in der Klasse gerecht zu werden, ist es von großer Bedeutung, dass sich die Beteiligten intensiv mit den vorhandenen Problemstellungen, aber auch mit einfach umsetzbaren Lösungsansätzen auseinandersetzen.

Daher fordern wir: Das Wissen über den Umgang mit SchülerInnen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen muss Teil der Lehrerausbildung werden; dies gilt insbesondere für die barrierefreie Kommunikation, etwa bei Schülern mit Hörbehinderungen oder mit Schülern mit geistiger Behinderung in leichter Sprache.

Es muss ein barrierefreier Zugang zu allen Unterrichtsräumen gewährleistet werden.