Behandlungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Adipositas als neue Kassenleistung

Berlin, 22. November 2024

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat gemäß gesetzlichem Auftrag beschlossen, dass Kinder und Jugendliche mit Adipositas künftig von einem strukturierten Behandlungsprogramm (DMP) profitieren, dass bislang nur für Erwachsene vorgesehen war. Damit soll sowohl die medizinische Versorgung als auch der Verlauf der Adipositas nachhaltig verbessert werden.

G-BA hat im November 2023 ein DMP für Erwachsene mit Adipositas beschlossen. Nun wurde ein weiteres DMP für Kinder und Jugendliche mit Adipositas im Alter von 5 bis 18 Jahren auf den Weg gebracht. Während bei Erwachsenen Adipositas durch einen Body-Mass-Index (BMI) ≥ 30 kg/m2 definiert wird, variiert der BMI bei Kindern und Jugendlichen alters- und geschlechtsspezifisch. Daher werden zur Diagnose BMI-Referenzkurven verwendet: Bei Kindern und Jugendlichen spricht man ab der 90. Perzentile von Übergewicht, ab der 97. von Adipositas und ab der 99,5. von extremer Adipositas.

Die wichtigste therapeutische Maßnahme des Programms ist die etwa einjährige Patientenschulung, in der die Betroffenen und ihre Familien lernen, durch eine gezielte Ernährungs- und Bewegungsumstellung Gewicht zu reduzieren und ihre Lebensqualität zu steigern. Da die familiäre Unterstützung für den Therapieerfolg entscheidend ist, werden Angehörige aktiv in das Programm eingebunden.

Die Patientenvertretung im G-BA begrüßt die Einführung des DMP Adipositas für Kinder und Jugendliche, brachte jedoch mehrere Verbesserungsvorschläge ein, die nur teilweise berücksichtigt wurden. Ein wesentlicher Punkt war die Möglichkeit zur Teilnahme bereits ab dem Vorschulalter. Die nun verabschiedete Regelung erlaubt dies ab dem vollendeten 5. Lebensjahr. Allerdings bleibt die flächendeckende Verfügbarkeit von Patientenschulungen für diese Altersgruppe eine Herausforderung.

Zudem plädierte die Patientenvertretung dafür, den Taille-Größe-Index als zusätzliches diagnostisches Kriterium aufzunehmen, um eine differenziertere Auswahl der Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen. Diese Forderung fand jedoch im endgültigen Programm keine Berücksichtigung. Ein weiteres Anliegen der Patientenvertretung war, dass Jugendliche nahtlos in das Erwachsenenprogramm wechseln können, ohne dass eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes Voraussetzung ist. Leider wurde diese Forderung im neuen DMP nur teilweise berücksichtigt.

Dennoch markiert der heutige Beschluss des G-BA einen bedeutenden Schritt zur besseren Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas in Deutschland. Bis zur endgültigen Einführung des DMP müssen jedoch noch einige Schritte erfolgen: Nach der Prüfung durch das Bundesgesundheitsministerium stehen noch regionale Vertragsabschlüsse zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen vor Ort aus.

Hintergrund zur Adipositas im Kindesalter

In Deutschland sind laut KIGGS Studie des Robert Koch-Instituts im Zeitraum von 2014 bis 2017 5,9 Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen, wobei die Zahl mit zunehmendem Alter deutlich zunimmt. Es gibt Hinweise darauf, dass u.a. bedingt durch die COVID-19 Pandemie diese Zahl sogar noch weiter angestiegen ist. Neben körperlichen Einschränkungen und erhöhtem Risiko für Begleit- und Folgeerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Bluthochdruck, leiden viele Kinder und Jugendliche auch unter psychosozialen Problemen und Stigmatisierung. Oft bleibt starkes Übergewicht aus der Kindheit bis ins Erwachsenenalter bestehen und führt zu einem Rückzug aus dem sozialen Leben. Ein früher Zugang zu strukturierten Behandlungsangeboten kann helfen, diese Entwicklung zu durchbrechen und die Lebensqualität langfristig zu verbessern.

Weitere Informationen und Hintergrundwissen bietet die Adipositas Hilfe Deutschland e.V. adipositas-selbsthilfe.de

Kontakt: Michael Wirtz, Patientenvertreter, michael.wirtz@adipositas-selbsthilfe.de

___________________________________________________________________________

Die Patientenvertretung im G-BA besteht aus Vertreter:innen der vier maßgeblichen Patientenorganisationen entsprechend der Patientenbeteiligungsverordnung:

  • Deutscher Behindertenrat,
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Patient*Innenstellen und -initiativen,
  • Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V.
  • Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.

Die Patientenvertretung im G-BA kann mitberaten und Anträge stellen, hat aber kein Stimmrecht.

 

Pressemitteilung

Zurück