Berlin, 21.08.2025: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat heute gegen das Votum der Patientenvertretung beschlossen, die Sonderregelung zur Psychotherapie bei substanzbezogenen Störungen in der Psychotherapie-Richtlinie im Wesentlichen beizubehalten. Damit bleibt Abstinenz weiterhin eine Voraussetzung für eine Langzeittherapie suchtkranker Patientinnen und Patienten. Das benachteiligt die Betroffenen gegenüber anderen psychisch Kranken. Seit Jahren ist die Inanspruchnahmerate von Psychotherapie bei Suchterkrankungen sehr niedrig: 2017 machten beispielsweise Patienten mit alkoholbezogenen Störungen nur 1,3 % der Behandlungsfälle aus[1], obwohl Psychotherapie nachweislich wirksam ist.
„Die Abstinenzvorgabe filtert genau jene Patienten aus, die Unterstützung am dringendsten brauchen“, sagt Patientenvertreter Jürgen Matzat. „Gerade bei langjährig bestehenden Suchterkrankungen ist es oft unrealistisch, innerhalb von 12 oder 24 Behandlungsstunden das Ziel der Abstinenz zu erreichen. Eine frühzeitige und kontinuierliche therapeutische Begleitung kann jedoch gerade entscheidend sein, um die Motivation zur Beendigung der Sucht zu stärken, Rückfälle zu verringern und den Genesungsprozess langfristig zu stabilisieren.“ Die Position der Patientenvertretung fand im Stellungnahmeverfahren breite fachliche Unterstützung, unter anderem durch die Bundespsychotherapeutenkammer oder auch die Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).
Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen sollten nach Ansicht der Patientenvertretung wie andere psychische Erkrankungen behandelt werden: Therapieziele wie Konsumreduktion im Sinne von Schadensbegrenzung oder Abstinenz und der Therapieprozess sollten gemeinsam von Therapeuten und Patienten festgelegt werden. Die Patientenvertretung fordert weiterhin eine diskriminierungsfreie Versorgung.
Hintergrund: Die neue Regelung hält an den strengen Zugangsvoraussetzungen für eine ambulante Psychotherapie fest: Spätestens nach 12 Behandlungsstunden muss bei den Betroffenen Abstinenz erreicht sein, um die Psychotherapie fortsetzen zu können. Nur in Ausnahmefällen sind weitere 12 Behandlungsstunden möglich, wenn Abstinenz verbindlich als Therapieziel festgelegt und gemeinsam abgestimmt wird. Nach spätestens 24 Stunden ist Abstinenz aber Pflicht, um die Therapie fortzusetzen – sie muss von einer Ärztin oder einem Arzt bestätigt werden.
Kontakt: Jürgen Matzat Sprecher der PatV im UA PPV beim G-BA, patientenbeteiligung@g-ba.de
Die Patientenvertretung im G-BA besteht aus Vertreter:innen der vier maßgeblichen Patientenorganisationen entsprechend der Patientenbeteiligungsverordnung:
- Deutscher Behindertenrat
- Bundesarbeitsgemeinschaft PatientInnenstellen und -initiativen
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V.
- Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
- Die Patientenvertretung im G-BA kann mitberaten und Anträge stellen, hat aber kein Stimmrecht.
[1] Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung [DPtV] (2021). Report Psychotherapie 2021. www.dptv.de/fileadmin/Redaktion/Bilder_und_Dokumente/Wissensdatenbank_oeffentlich/Re-port_Psychotherapie/DPtV_Report_Psychotherapie_2021.pdf [1] Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung [DPtV] (2021). Report Psychotherapie 2021. Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen (Zugriff am 14.08.2025).