Stellungnahme - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz)

Als Dachverband von 125 Bundesorganisationen der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und von 13 Landesarbeitsgemeinschaften setzt sich die BAG SELBSTHILFE seit langem für eine Verbesserung der Qualitätstransparenz ein, unter anderem durch die Mitarbeit im Unterausschuss Qualitätssicherung im Gemeinsamen Bundesausschuss und als langjährige Kooperationspartnerin der Bertelsmann-Stiftung bei der Umsetzung des Portals der Weißen Liste.

Vor diesem Hintergrund begrüßt die BAG SELBSTHILFE das Ziel des Gesetzentwurfes, mehr Transparenz hinsichtlich der Qualität und des Leistungsangebotes herzustellen.

Leider wird die vorliegende Formulierungshilfe aber dieser Zielsetzung nicht gerecht.

Für den stationären Bereich greift der Entwurf zu kurz und bringt teilweise vermeidbare Unklarheiten. Für den ambulanten Bereich ist nach dem Entwurf aber sogar nicht ein Mehr an Transparenz, sondern durch die Streichung des § 136a Abs. 6 sogar ein Weniger an Transparenz zu befürchten.

Zwar ist perspektivisch vorgesehen, die in der Formulierungshilfe vorgeschlagene „Transparenzoffensive“ auch auf den ambulanten Bereich zu erstrecken, es bleibt aber unklar, wie dazu der Zeitplan aussieht; angesichts der immer stärkeren Ambulantisierung medizinischer Leistungen ist jedoch eine vergleichbare Qualitätsinitiative für den ambulanten Bereich unter Einbindung aller Struktur- und Qualitätsdaten der KVen dringend erforderlich.

Für den stationären Bereich hält es die BAG SELBSTHILFE für nicht zielführend, dass der Fokus des Entwurfs im Wesentlichen im Leistungsumfang der jeweiligen Krankenhäuser nach Leveln/ Strukturdaten liegt und die Qualitätsberichterstattung ansonsten in ihrer Ausgestaltung dem IQTiG überlassen bleibt.

Denn ob diese Krankenhäuser die Leistungen tatsächlich dann auch qualitativ gut umsetzen, welche Standards für die „gute Personalausstattung“ gelten, ist im Entwurf nicht geregelt. Die bisherigen vom Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelten Strukturvorgaben zu den Mindestmengen, der Notfallversorgung und anderen indikationsspezifischen Bereichen sowie die PPUG als Untergrenzen sollen offenbar weitergelten. Leider ist nur der Begründung zu entnehmen, dass das künftige Transparenzverzeichnis die bestehende Qualitätsberichterstattung ergänzen soll (S. 17). Dies sollte unbedingt im Gesetzentwurf selbst klargestellt werden.

Ohnehin muss mit Sorge betrachtet werden, dass dem IQTiG weitere Aufgaben übertragen werden, obwohl das Institut schon heute an vielen Stellen mit der Umsetzung seiner Aufgaben überfordert ist.

Die Vorschriften über den Qualitätsbericht müssen explizit von der vorgeschlagenen Neuregelung unberührt bleiben, damit sichergestellt ist, dass das etablierte Verfahren weiterhin durchgeführt wird. Zu kritisieren ist, dass das IQTiG offenbar nicht verpflichtet sein soll, Daten aus dem Qualitätsbericht für den Transparenzverzeichnis zu verwenden- mit der Folge, dass sich Patient*innen unter Umständen ihre Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammensuchen müssten. Dies ist aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE nicht hinnehmbar, da dann die Patient*innen auf das Engagement des IQTIG angewiesen sind, ob und welche weiteren Informationen sie über die Strukturdaten hinaus an dieser Stelle zur Verfügung gestellt werden. Aus Patientensicht besteht damit das Risiko, dass sich das Auffinden der Informationen zur Qualität von Krankenhäusern immer mehr zerfasert. Ferner ist es nicht nachzuvollziehen, dass die Entscheidung, welche Informationen vom IQTIG für das Transparenzverzeichnis hinzugezogen werden sollen, ohne Patientenbeteiligung erfolgen soll.

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE sind insoweit folgende Ergänzungen bzgl. des Entwurfs nötig:

  1. die Erweiterung um weitere Datengrundlagen (QSR, PROMS, verpflichtende Verwendung bisheriger Qualitätsberichte),
  2. Klärung, welche Möglichkeiten es gibt, die Information zum Patienten/ zur Patientin/ Ärzt*in zu bringen, insbesondere könnte hier die ePA/ Praxisverwaltungssysteme genutzt werden und
  3. die Daten müssen auch weiterhin für KH-Vergleichsportale (z.B. Krankenhaus-Portale der Krankenkassen, Weisse-Liste, Deutsches Krankenhausverzeichnis) genutzt werden können. Diese Zusammenführung ist erforderlich, damit Patientinnen und Patienten nicht mit unterschiedlichsten Informationen zu den Krankenhäusern/Ärzt*innen konfrontiert sind und dadurch Auswahlentscheidungen erschwert werden.

Ohnehin tritt die BAG SELBSTHILFE dafür ein, dass die Aufbereitung der Daten durch das IQTiG von der öffentlichen Darstellung der Daten in einem Qualitätsportal unterschieden werden sollte. Zur öffentlichen Darstellung der Daten sollte eine unabhängige und neutrale Stelle mit Patientenbeteiligung geschaffen werden, die zentral die Veröffentlichung der Informationen vornimmt; dies könnte etwa auch das noch zu schaffende Public Health Institut sein.

Insgesamt wäre dabei auch zu klären, ob der bestehende Qualitätsbericht um die in § 136d Absatz 4 SGB V RefE aufgelisteten Datenquellen erweitert werden könnte und dem G-BA gesetzlich die Einbindung, verbunden mit den in § 299 SGB V vorgesehenen datenschutzrechtlichen Erleichterungen, ermöglicht wird. Wie dann die Aufbereitung der Informationen zwischen der unabhängigen Organisation und dem Gemeinsamen Bundesausschuss im Einzelnen erfolgen soll, wäre dann noch zu klären. In jedem Fall sollte Doppelarbeit beim IQTIG vermieden werden, die nach dem vorliegenden Entwurf wohl noch stattfinden würde; solche Doppelarbeit würde aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE dazu führen, dass die Ressourcen des IQTIG weiter schrumpfen würden, da offenbar auch nur relativ knappe Mittel für die zusätzliche Aufgabe des Transparenzverzeichnisses bereitgestellt werden sollen.

Schon jetzt stellt der G-BA im Rahmen der jährliche Kontingentplanung anliegende Aufgaben wegen fehlender Kapazitäten beim IQTiG zurück. Den größten Teil an Kapazitäten nimmt dabei der Bereich für die datengestützte einrichtungsvergleichen Qualitätssicherung ein mit Neu- und Weiterentwicklungen von Verfahren, Entwicklung von entsprechenden Spezifikationen, technische Umsetzung und letztlich die Durchführung der QS-Verfahren. Ohne zusätzliche Mittel werden diese Ausgaben mit dem Transparenzverzeichnis in Konkurrenz gesetzt, so dass auf der einen Seite vielleicht etwas mehr Transparenz im stationären Bereich geschaffen wird, andererseits aber auch aus Patientensicht wichtige QS-Anliegen verschoben werden müssen.

Zu den entsprechenden Regelungen nimmt die BAG SELBSTHILFE wie folgt Stellung:

I. Übergreifende Anmerkungen zum Gesetzentwurf

1. Gesetzlich vorgesehene Inhalte des Transparenzverzeichnisses (§ 135d Absatz 3 SGB V RefE)

Im Hinblick auf die datengestützte einrichtungsübergreifende QS nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE alle für die Veröffentlichung geeigneten Daten patientenrelevant. Aus diesem Grund prüft das IQTiG bereits heute jährlich im Zusammenhang mit den Daten aus der externen QS, die im Qualitätsbericht veröffentlicht werden, welche Indikatoren und Kennzahlen methodisch geeignete Ergebnisse für die Veröffentlichung liefern.

Unabhängig davon ist die Frage, ob und wie man diese Ergebnisdaten für eine leichtere Verständlichkeit der Öffentlichkeit und zum Zwecke von Auswahlentscheidungen aufbereitet.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die bestehende Qualitätsberichterstattung erweitert werden muss und nicht in Frage gestellt werden darf.

Leider ist nur der Begründung der Formulierungshilfe zu entnehmen, dass durch das Transparenzverzeichnis des BMG die bestehende Qualitätsberichterstattung ergänzt werden soll (S. 17). Die Vorschriften über den Qualitätsbericht dürfen von der Neuregelung unberührt bleiben, damit das etablierte Verfahren weiterhin durchgeführt wird.

Da das IQTiG bereits heute vielfach mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben überfordert ist, besteht die Sorge, dass die Übertragung neuer Aufgaben letztlich dazu führt, dass die bestehende Qualitätsberichterstattung zurückgebaut werden muss.

Mit Sorge sieht die BAG SELBSTHILFE daher auch, dass das IQTiG nach der Formulierungshilfe nicht verpflichtet ist, Daten aus dem Qualitätsbericht zu verwenden.

Die Daten des Qualitätsberichts müssen Eingang in das Transparenzverzeichnis finden können.

Wie bereits eingangs dargestellt, könnte dies anderenfalls bedeuten, dass die Öffentlichkeit sich zukünftig über zwei unterschiedliche Datengrundlagen (mit Ausnahmen der externen QS) über die Qualität der Krankenhäuser informieren soll und dies an mehreren unterschiedlichen (offiziellen) Orten mit unterschiedlicher Aufbereitung der Daten erfolgen kann.

In Hinblick auf die Frage, welche Daten aus dem Qualitätsbericht für Patienten relevant sind, ist anzumerken, dass alle Daten, die in den Qualitätsbericht eingebunden werden deshalb eingebunden werden, weil sie für die Öffentlichkeit relevante Informationen liefern. Seien es nun Strukturdaten oder Informationen zur Umsetzung von Vorgaben zu Mindestanforderungen, Personaluntergrenzen, Leistungsberechtigungen infolge von Mindestmengenregelungen oder eben die Ergebnisse aus der datengestützten einrichtungsvergleichenden QS: Die Erhebung erfolgt mit dem Zweck der Information der Öffentlichkeit (Vgl. hierzu nur Zielsetzung nach § 2 Qb-R: „Zielsetzung des Qualitätsberichts ist eine Verbesserung von Transparenz und Qualität der Versorgung im Krankenhaus. 2 Der Qualitätsbericht ist eine Informations- und Entscheidungshilfe sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für Leistungserbringer im Vorfeld einer Krankenhausbehandlung.“)

Der Gesetzgeber hat in § 136b Absatz 6 SGB V selbst bereits die wesentlichen Inhalte des Qualitätsberichts geregelt sowie weitere patientenrelevante Aspekte für den Qualitätsbericht hervorgehoben. Dazu gehören eben die Berücksichtigung der Qualitätsanforderungen, die Nachweise über Fortbildungspflichten und Erfüllung der Mindestmenge, Art und Anzahl der Leistungen des Krankenhauses, Informationen zu Nebendiagnosen, wesentliche Hauptdiagnosen, Ergebnisse von Patientenbefragungen. Als besonderes patientenrelevant werden insbesondere Informationen zur Patientensicherheit und hier speziell zur Umsetzung des Risiko- und Fehlermanagements, Maßnahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit, Einhaltung von Hygienestandards sowie zu Maßzahlen der Personalausstattung in den Fachabteilungen des jeweiligen Krankenhauses vom Gesetz ausgewiesen.

Der wissenschaftliche Beitrag des IQTiG im Zusammenhang mit der Zusammenführung und Aufbereitung der Daten muss hier also vor allem sein, den Fokus auf die gute Aufbereitung der für die Veröffentlichung geeigneten und vorgesehenen Daten zu legen. Eine Fokussierung auf Morbidität und Mortalität reduziert die schon vorhandenen Informationen für Patienten erheblich, steht auch im Widerspruch zu § 136b Absatz 6 SGB V und torpediert die über Jahre aufgebaute und vorhandene Datenbasis, die den gleichen Zweck erfüllt wie es nun das Transparenzregister tun soll: Die Auswahlentscheidungen von Einweisern und Patienten zu unterstützen.

Es kann bei der Stärkung der Unabhängigkeit des IQTiG nicht darum gehen, dass quasi aus einem wissenschaftlichen Elfenbeinturm heraus - und im Übrigen ohne Einbindung der in diesem Bereich mehr als erfahrenen maßgeblichen Organisationen nach § 140f SGB V und der Patientenvertretung - neu entschieden wird, was für Patienten und ihre Auswahlentscheidung relevant ist.

Insoweit sollten die Daten, die das IQTIG für das Transparenzverzeichnis aufbereitet, auch für die Qualitätsberichterstattung zur Verfügung gestellt werden, mit der Konsequenz, dass diese Daten am Ende auch von anderen etablierten KH-Vergleichsportalen (z.B. Krankenhaus-Portale der Krankenkassen, Weisse-Liste, Deutsches Krankenhausverzeichnis) genutzt werden können (Open Source – Prinzip).

Soll darüber hinaus ein „Nationales Qualitätsportal“ entstehen, dann tritt die BAG SELBSTHILFE dafür ein, dass zwischen der Aufbereitung der Daten durch das IQTiG und der öffentlichen Darstellung der Daten in einem Portal unterschieden wird. Mit letzterem sollte eine neutrale unabhängige Institution wie beispielsweise das geplante Public Health Institut beauftragt werden.

Dies wäre auch eine zukunftsfähige Lösung, um die aktive Nutzung der Daten für die elektronische Patientenakte oder Praxisverwaltungssysteme zu ermöglichen.

Mit diesen Zukunftsaufgaben wird das IQTiG nämlich definitiv überfordert sein.

Das bedeutet, es müsste sichergestellt werden, dass alle Daten und Informationen zum Zwecke der Veröffentlichung, sei es über das Transparenzverzeichnis oder über andere Krankenhausvergleichsportale, zusammengeführt und aufbereitet werden. Die Daten müssen auch weiterhin für KH-Vergleichsportale (z.B. Krankenhaus-Portale der Krankenkassen, Weisse-Liste, Deutsches Krankenhausverzeichnis) genutzt werden können. Diese Zusammenführung ist erforderlich, damit Patientinnen und Patienten nicht mit unterschiedlichsten Informationen zu den Krankenhäusern konfrontiert sind und dadurch Auswahlentscheidungen erschwert werden.

2. Ambulante Qualitätssicherung (Streichung des § 136a Abs. 6 SGB V RefE)

Die BAG SELBSTHILFE hält die vorgesehene Streichung des § 136a SGB V für den falschen Weg. Patient*innen benötigen für den ambulanten Bereich ebenso Informationen zur Qualität wie für den stationären Bereich, da hier oft die entscheidenden Weichenstellungen für die Diagnostik der Erkrankung gestellt werden. Selbst im Bereich von insgesamt häufigen Erkrankungen wie Rheuma sind Diagnoseodysseen von 8 Jahren eher die Regel als die Ausnahme. Dies verursacht nicht nur unnötiges Leid, sondern auch unnötige Kosten, weil sich die Erkrankung aufgrund der fehlenden Behandlung oft verschlimmert.

Gleichzeitig hält auch die BAG SELBSTHILFE die derzeitige Fassung des § 136a für eine Fehlkonstruktion, welche die Beratungen im G-BA sehr erschwert hat:

Veröffentlicht werden sollten nur ambulante Daten, die dem G-BA ohnehin vorliegen, also nur Daten aus der externen QS. Dazu gibt es bislang nur drei Leistungsbereiche in der DeQS-RL. Die umfängliche Gesetzesbegründung weckte Anschein, dass vor Veröffentlichung von Ergebnisdaten auch im Vergleich zum schon etablierten Vorgehen für den stationären Bereich weitere umfängliche Prüfungen vorgenommen werden sollten.  Das führte zu längeren Beratungen darüber, inwiefern man Ergebnisdaten für einzelne QIs noch einmal umfänglich auf Patientenverständlichkeit prüfen und ggf. weiter sortieren muss anstatt davon auszugehen, dass alle zur Veröffentlichung geeigneten Ergebnisdaten natürlich auch veröffentlicht werden und für eine Berichterstattung ggf. zusätzlich zum besseren Verständnis aufbereitet werden sollen.

Insoweit hält die BAG SELBSTHILFE eine Fortentwicklung und nicht eine Streichung des § 136a für den richtigen Weg. Wie eingangs bereits dargestellt ist eine vergleichbare Qualitätsinitiative für den ambulanten Bereich unter Einbindung aller Struktur- und Qualitätsdaten der KVen dringend erforderlich.  Nach der Gesetzesbegründung ist zwar vorgesehen, dass perspektivisch auch Qualitätsvergleiche bei an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern ermöglicht werden sollen. Aber vor dem Hintergrund des bestehenden stationären Qualitätsberichts und der zunehmenden Ambulantisierung von Leistungen (Stichwort Erweiterung AoP-Katalog) wäre eine rasche und konsequente Qualitätsoffensive im ambulanten Bereich bereits im vorliegenden Gesetzentwurf vorzusehen.

3. Datenschutz im Zusammenhang mit Qualitätssicherung (§ 299 SGB V RefE)

Nach dem Verständnis der BAG SEBSLTHILFE soll die vorgesehene Ergänzung des § 299 Absatz 1 („Personen- oder einrichtungsbezogene Daten der Leistungserbringer in Richtlinien nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind nicht zu pseudonymisieren.“) bewirken, dass die dezentralen Datenannahmestellen - anders als bislang in der DeQS-RL - die leistungserbringeridentifizierenden Daten vor Weiterleitung an das IQTiG als Bundesauswertungsstelle nicht durch ein Pseudonym ersetzen. Im Moment besteht wegen dieser fehlenden Möglichkeit ein erhöhter Aufwand bei der Umsetzung der QS-Verfahren. Insoweit ist die Regelung ebenso wie die vorgesehene Zusammenführung der Daten, etwa mit denen des INEK, zu begrüßen.

II. Indikationsspezifische Ausführungen zur Anlage 2 zu § 135d und im Zusammenhang mit der Krankenhausreform insgesamt

Die BAG SELBSTHILFE nimmt die Stellungnahme zum Anlass, Anmerkungen aus zwei Indikationsbereichen zur vorgesehenen Krankenhausreform zu machen, die Relevanz für das vorliegende Gesetzgebungsverfahren haben:

1. Phenylketonurie und verwandte angeborene Stoffwechselstörungen

Mit einer Prävalenz von ca. 1:10.000 ist Phenylketonurie – im Folgenden PKU genannt – eine seltene angeborene Störung des Eiweißstoffwechsels. Die Folgen unbehandelter PKU sind schwere geistige und körperliche Behinderungen. Stoffwechselentgleisungen bei den noch selteneren verwandten Stoffwechselstörungen wie z.B. Ahornsirupkrankheit, Tyrosinämie, Methylmalonacidurie, Propionacidurie etc. können im ungünstigen Falle auch tödlich verlaufen. Diese Symptome können durch eine lebensbegleitende Ernährungstherapie in Verbindung mit krankheitsspezifischen medikamentösen Behandlungen vermieden werden. Die betroffenen Patientinnen und Patienten benötigen dazu eine lebensbegleitende, multidisziplinäre Versorgung an spezialisierten Stoffwechselzentren. Zu den notwendigen Versorgungsleistungen gehören unter anderem die regelmäßige Laborkontrolle der Aminosäuren-Blutwerte, diverse altersentsprechende medizinische und neurologische Kontrolluntersuchungen sowie eine individuelle Ernährungsberatung und psychologische Unterstützung der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt insoweit die Zielsetzung der Ampel-Koalition, notwendige Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung auf den Weg zu bringen, bei der nicht die Ökonomie, sondern die Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen. Von der geplanten Vorhaltevergütung für die Bereitstellung notwendiger medizinischer und nicht-medizinischer Leistungen für Menschen mit einer seltenen Erkrankung wie PKU erhoffen sie sich eine nachhaltige Finanzierung für den Aufbau und die dauerhafte Sicherstellung der notwendigen Versorgungsstrukturen für alle Patientinnen und Patienten jeden Alters.

Die spezialisierte und multidisziplinäre Versorgung der von dieser Erkrankung Betroffenen erfolgt in der Regel im ambulanten Setting. Die intensive stationäre Versorgung beschränkt sich auf die Anfangszeit sowie auf Krankheiten, die akut metabolisch entgleisen können. Daneben werden zum Beispiel für die Durchführung innovativer Behandlungen wie etwa Enzymersatztherapien zunehmend auch tagesklinische Angebote benötigt werden. Die Empfehlungen der Regierungskommission sowie das Eckpunktepapier zur Krankenhausreform vom 10. Juli 2023 und die Formulierungshilfe für ein Krankenhaustransparenzgesetz beziehen sich primär auf die stationäre Versorgung. Durch die Vorhaltekosten zum Beispiel im Bereich der Personalbedarfsplanung wird aber auch der ambulante Sektor tangiert. Für die Zukunft werden gut aufgestellte ambulante Strukturen benötigt, die eine multiprofessionelle Versorgung vorhalten.

Die Einstufung der Krankenhäuser durch das Krankenhaustransparenzgesetz in insgesamt fünf Levels erfolgt nach unserem Verständnis der Formulierungshilfe zum Krankenhaustransparenzgesetz im Wesentlichen anhand der Anzahl der insgesamt 65 Leistungsgruppen, die in einer Klinik angeboten werden.

Etliche der bestehenden Stoffwechselzentren sind auch an kleineren Kreiskrankenhäusern angegliedert und leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung, der unbedingt zu erhalten ist. Dass die Einteilung in Levels keine Konsequenz für die Vergütung hat, ist insofern positiv zu beurteilen, als dass dadurch keine vorhandenen Strukturen existenziell gefährdet erscheinen. Gleichzeitig ergibt sich daraus jedoch auch, dass das Krankenhaustransparenzgesetz keine ausreichenden Anreize setzt, um die dringend benötigten zusätzlichen Versorgungskapazitäten aufzubauen.

Die BAG SELBSTHILFE regt deshalb an, die Anlage 2 zu § 135d (Leistungsgruppen der Krankenhausbehandlung um die Leistungsgruppen „pädiatrische Stoffwechselmedizin“ und „internistische / geriatrische Stoffwechselmedizin“ zu erweitern, so dass die entsprechende Leistungserbringung sich zumindest positiv auf die Versorgungsstufe des jeweiligen Krankenhauses auswirkt.

Der Erhalt der bestehenden Versorgungsstrukturen und ihr notwendiger Ausbau setzen eine ausreichende Leistungs- und Vorhaltevergütung der Stoffwechselzentren über alle Versorgungslevel hinweg voraus, die im Rahmen der weiteren Umsetzung der Krankenhausreform sichergestellt werden. Politische Impulse für eine ausreichende aus- und weiterbildungsqualifizierter stoffwechselmedizinischer Leistungserbringer in Pädiatrie und Internistik.

Die notwendigen Versorgungsstrukturen müssen nicht nur finanziert werden, es braucht auch das dafür qualifizierte Personal. Deshalb unterstützt die BAG SELBSTHILFE Forderungen nach der Aufnahme von Zusatzweiterbildungen in der pädiatrischen und internistischen Stoffwechselmedizin in den Musterweiterbildungsordnungen.

Außerdem bittet sie in diesem Zusammenhang auch darum, die Diskriminierung erwachsener Patientinnen und Patienten im § 116b SGB V Abs. 1 Satz 2 Buchstabe j zu beenden, da diese Regelung sich bisher ausschließlich auf den Bereich der Kindermedizin bezieht.

2. Schmerztherapie/ Migräne

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE fehlt in den definierten Leistungsgruppen die Schmerztherapie. Sie sollte unserer Ansicht nach unter den weiteren Leistungsgruppen ergänzt werden.

Denn ein Angebot für die stationäre Schmerztherapie ist weiterhin zwingend nötig und versorgungsrelevant. Dies geschieht derzeit in folgenden Einrichtungen:

  • Spezialkliniken (Fachkrankenhäuser), die Level F zugeordnet werden sollten. Diese werden benötigt, um komplexe, schwer therapierbare und ambulant nicht ausreichend versorgte Patienten zu behandeln.
    Besonderheit bei den bestehenden Kopfschmerzkliniken:
    Sie werden von Patienten aus allen Bundesländern besucht. Zur bundesländerübergreifenden Versorgung findet sich im Entwurf wenig. Insoweit stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, wer den bundeslandübergreifenden Bedarf festlegt.
  • In größeren Kliniken (z.B Universitätskliniken Level 3, seltener Level 2) findet man aktuell Abteilungen für Schmerztherapie, dafür besteht weiterhin großer Bedarf.
  • Multimodale Schmerztherapie findet auch im Tageskliniken statt (teilstationär). Diese versorgungsrelevanten Angebote dürfen nicht unter den Tisch fallen.
  • Wünschenswert wäre eine entsprechende Transparenz über die fachliche Qualifikation der Klinik für eine bestimmte Erkrankung auch im Geltungs-Bereich der Rehabilitationskliniken nach SGB VI. Gerade aus diesem Bereich treffen häufig Klagen über eine unzureichende Behandlung ein.

Düsseldorf/ Berlin 28.08.2023

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