Stellungnahme Krankenhaustransparenzgesetz

Als Dachverband von 125 Bundesorganisationen der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und von 13 Landesarbeitsgemeinschaften setzt sich die BAG SELBSTHILFE seit vielen Jahren mit Nachdruck für eine verbesserte Transparenz der Qualität und des Leistungsgeschehens im stationären Bereich ein. Als Kooperationspartnerin der „Weißen Liste“ beschäftigt sich die BAG SELBSTHILFE seit langer Zeit mit den Anforderungen an die Transparenz aus Patientensicht und mit den methodischen Anforderungen an eine objektive Darstellung von Qualitäts-merkmalen der Versorgung und an die Ermöglichung von Auswahlentscheidungen für Patientinnen und Patienten.

 

Die BAG SELBSTHILFE teilt daher ausdrücklich die Einschätzung der Regierungsfraktionen, dass eine konsequente Qualitätsorientierung der Krankenhäuser nicht nur bedeutet, Qualitätsanforderungen auf Basis fachlich unabhängiger wissenschaftlicher Erkenntnisse festzustellen und zu messen, sondern auch, diese Ergebnisse in übersichtlicher Form in einfacher und verständlicher Sprache barrierefrei zu veröffentlichen. Insbesondere die Aufnahme der Maßgabe der Barrierefreiheit gegenüber dem Referentenentwurf wird sehr positiv gesehen - ebenso wie die Rücknahme der generellen Streichung des § 136a Abs. 6 SGB V.

Insoweit begrüßt die BAG SELBSTHILFE auch das Vorhaben, ein Transparenzverzeichnis zur Information der Bevölkerung und zur Aufklärung der Patientinnen und Patienten zum Leistungsangebot und zur Qualität des stationären Versorgungsgeschehen in Deutschland zu errichten. Dies war eines der Ziele, das die BAG SELBSTHILFE in Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung mit dem Modellprojekt der „Weißen Liste“ seit vielen Jahren verfolgt hat.

Damit das Vorhaben einer guten Orientierung der Patientinnen und Patienten zum stationären Versorgungsgeschehen gelingen kann, ist es aber erforderlich, dass auch hinreichend verfügbare und valide Daten zur Verfügung stehen, die für die Errichtung eines Transparenzverzeichnisses gebraucht werden.

Hierzu bestehen hinsichtlich des vorliegenden Gesetzentwurfs einige dringende Verbesserungsbedarfe, auf die im Folgenden im Einzelnen eingegangen werden soll:

I. Übergreifende Anmerkungen zum Gesetzentwurf

1. Notwendige Ressourcenstärkung von IQTiG und InEK

Mit großer Sorge betrachtet die BAG SELBSTHILFE die Vorschrift des § 135d Absatz 2 Satz 6 des vorliegenden Gesetzentwurfs.

Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen ist nämlich völlig zurecht schon jetzt mit all seiner Kraft damit beschäftigt, in den bestehenden sog. datengestützten Verfahren der Qualitätssicherung die notwendigen Grundlagen für die Messung der Qualität des stationären Versorgungsgeschehens zu generieren und aufzuarbeiten. Immer wieder finden beim Gemeinsamen Bundesausschuss schwierige Abwägungsentscheidungen zu den knappen Arbeitskontingenten des Instituts statt, um dessen Ressourcen zu priorisieren.

Die nun in § 135d vorgesehenen neuen Aufgaben bringen einen ganz erheblichen zusätzlichen Aufwand mit sich und sind mit einem ehrgeizigen, wenn nicht sogar unrealistischen Zeitplan versehen. Wird daher in § 135d Absatz 2 Satz 6 des Entwurfs postuliert, dass die neuen Aufgaben nach den Sätzen 1 bis 3 „vorrangig“ vor anderen Aufgaben zu bearbeiten sind, dann gefährdet dies im Kern die Qualitätssicherung im stationären Bereich insgesamt. Diese Arbeit muss nämlich kontinuierlich präzise geleistet werden.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist daher dringend vorzusehen, dass dem IQTiG ausreichende „zusätzliche“ Ressourcen zur Bewältigung der neuen Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Dies muss im Übrigen auch für das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus gelten, auf das ebenfalls erhebliche zusätzliche Lasten der Datenaufbereitung zukommen.

Soweit daher in Satz 7 des § 135d Absatz 2 ausgeführt wird, dass die Finanzierung der Aufgaben des IQTiG nach Satz 1-3 sicher zu stellen ist, muss diese Vorgabe folglich in § 135 d auch explizit für die Finanzierung aller übrigen Aufgaben des Instituts gelten.

Public Reporting läuft leer, wenn das, worüber berichtet werden soll, gar nicht mehr erhoben werden kann.

2. Nutzung der Qualitätsberichte der Krankenhäuser

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt die Änderung in § 299 Abs. 7 Nr. 3 SGB V, wonach das IQTiG berechtigt ist, die Daten aus den strukturierten Qualitätsberichten zu nutzen. Da die Qualitätsberichte der Krankenhäuser eine wichtige Informations-grundlage für die Patientinnen und Patienten bieten, sollte jedoch darüber hinaus in

§ 135 d klargestellt werden, dass die entsprechenden Daten für das Transparenz-verzeichnis aufbereitet werden müssen. Eine solche Klarstellung fehlt jedoch im vorliegenden Entwurf. Goldstandard der Datennutzung muss aus Sicht der BAG SELBSTHILFE in jedem Fall das sein, was bislang bereits anhand der „Weißen Liste“ als Orientierung gegeben werden kann. Zumindest in der Begründung des Gesetzes sollte dies aus Sicht der BAG SELBSTHILFE auch explizit aufgenommen werden.

Zudem wird angeregt, die dann vom IQTiG zusammengeführten Daten auch für andere Portale wie die „Weiße Liste“ nutzbar zu machen, wie dies derzeit bei den Daten zum Qualitätsbericht praktiziert wird.

3. Datengrundlage zum Leistungsangebot der Krankenhäuser

Die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Leistungsangebote der Krankenhäuser ist im Rahmen der anstehenden Krankenhausreform essentiell für die Orientierung der Bürgerinnen und Bürger.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist zu bezweifeln, dass die vom IQTiG und vom InEK zu generierenden Daten ausreichen werden, um den Patientinnen und Patienten einen validen Überblick über das Leistungsangebot der Häuser zu geben.

Daher sollte aus Sicht der BAG SELBSTHILFE die Schaffung von Transparenz in diesem Bereich als „lernendes System“ unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen nach §140 f SGB V angelegt werden.

Ganz entsprechend hat die Deutsche Rentenversicherung entschieden, die Weiterentwicklung ihres Portals zur Qualität und zu den Angeboten der Rehabilitationseinrichtungen nach § 15 Absatz 7 SGB VI durch einen Beirat unter Mitwirkung der Vertretungen der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden begleiten zu lassen (Vgl. sog. Verbindliche Entscheidung der DRV zum Public Reporting nach § 15 Absatz 6 SGB VI).

4. Veröffentlichung der Daten / Portal des Transparenzverzeichnisses

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt ausdrücklich, dass im vorliegenden Gesetzentwurf nicht vorgesehen ist, das IQTiG nicht auch noch mit der Erstellung des Portals für das Transparenzverzeichnis zu beauftragen. Hierfür fehlen dem Institut sowohl die notwendigen Ressourcen als auch die Fachlichkeit.

Andererseits wäre es aus Sicht der BAG SELBSTHILFE auch nicht adäquat, irgendeine Agentur mit dieser wichtigen Aufgabe zu betrauen, wie dies beim Nationalen Gesundheitsportal geschehen ist.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE sollte daher die Stelle nach § 135 d Absatz 1 Satz 3 SGB V nicht offen gelassen werden. Sowohl die BzgA bzw. das künftig zu errichtende Public Health Institut als auch der MD Bund erscheinen durchaus als geeignet, diese wichtige Aufgabe des Public Reporting zu übernehmen.

5. Perspektivische Weiterentwicklung des Transparenzverzeichnisses

Die BAG SELBSTHILFE unterstützt die Forderung des MD Bund nach einer Meldepflicht für Behandlungsfehler. Auch dieser Aspekt der Qualität der Behandlung muss künftig für die Patientinnen und Patienten transparenter gemacht werden.

Daher ist eine entsprechende Weiterentwicklung des Transparenzverzeichnisses bereits jetzt konzeptionell vorzusehen.

Entsprechendes gilt für die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der für Menschen mit Behinderungen bestehenden Barrieren in der stationären Versorgung. Im Rahmen der Beratungen zum Aktionsplan der Bundesregierung für ein barrierefreies Gesundheitswesen hat die BAG SELBSTHILFE den Bundesminister für Gesundheit bereits darauf aufmerksam gemacht, dass das künftige Transparenzverzeichnis auch Angaben zu Barrieren in der Versorgung bzw. zu barrierefreien Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit spezifischen Beeinträchtigungen enthalten muss.

Die Bundesrepublik Deutschland ist hierzu aufgrund der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention rechtlich auch verpflichtet.

II. Indikationsspezifische Ausführungen zur Anlage 1 zu § 135d und im Zusammenhang mit der Krankenhausreform insgesamt

Die BAG SELBSTHILFE nimmt die Stellungnahme zum Anlass, Anmerkungen aus zwei Indikationsbereichen zur vorgesehenen Krankenhausreform zu machen, die auch Relevanz für das vorliegende Gesetzgebungsverfahren habe

1. Phenylketonurie und verwandte angeborene Stoffwechselstörungen

Mit einer Prävalenz von ca. 1:10.000 ist Phenylketonurie – im Folgenden PKU genannt – eine seltene angeborene Störung des Eiweißstoffwechsels. Die Folgen unbehandelter PKU sind schwere geistige und körperliche Behinderungen. Stoffwechselentgleisungen bei den noch selteneren verwandten Stoffwechselstörungen wie z.B. Ahornsirupkrankheit, Tyrosinämie, Methylmalonacidurie, Propionacidurie etc. können im ungünstigen Falle auch tödlich verlaufen. Diese Symptome können durch eine lebensbegleitende Ernährungstherapie in Verbindung mit krankheitsspezifischen medikamentösen Behandlungen vermieden werden. Die betroffenen Patientinnen und Patienten benötigen dazu eine lebensbegleitende, multidisziplinäre Versorgung an spezialisierten Stoffwechselzentren. Zu den notwendigen Versorgungsleistungen gehören unter anderem die regelmäßige Laborkontrolle der Aminosäuren-Blutwerte, diverse altersentsprechende medizinische und neurologische Kontrolluntersuchungen sowie eine individuelle Ernährungsberatung und psychologische Unterstützung der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt insoweit die Zielsetzung der Ampel-Koalition, notwendige Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung auf den Weg zu bringen, bei der nicht die Ökonomie, sondern die Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen. Von der geplanten Vorhaltevergütung für die Bereitstellung notwendiger medizinischer und nicht-medizinischer Leistungen für Menschen mit einer seltenen Erkrankung wie PKU erhoffen sie sich eine nachhaltige Finanzierung für den Aufbau und die dauerhafte Sicherstellung der notwendigen Versorgungsstrukturen für alle Patientinnen und Patienten jeden Alters.

Die spezialisierte und multidisziplinäre Versorgung der von dieser Erkrankung Betroffenen erfolgt in der Regel im ambulanten Setting. Die intensive stationäre Versorgung beschränkt sich auf die Anfangszeit sowie auf Krankheiten, die akut metabolisch entgleisen können. Daneben werden zum Beispiel für die Durchführung innovativer Behandlungen wie etwa Enzymersatztherapien zunehmend auch tagesklinische Angebote benötigt werden. Die Empfehlungen der Regierungskommission sowie das Eckpunktepapier zur Krankenhausreform vom 10. Juli 2023 und die Formulierungshilfe für ein Krankenhaustransparenzgesetz beziehen sich primär auf die stationäre Versorgung. Durch die Vorhaltekosten zum Beispiel im Bereich der Personalbedarfsplanung wird aber auch der ambulante Sektor tangiert. Für die Zukunft werden gut aufgestellte ambulante Strukturen benötigt, die eine multiprofessionelle Versorgung vorhalten.

Die Einstufung der Krankenhäuser durch das Krankenhaustransparenzgesetz in insgesamt fünf Levels erfolgt nach unserem Verständnis der Formulierungshilfe zum Krankenhaustransparenzgesetz im Wesentlichen anhand der Anzahl der insgesamt 65 Leistungsgruppen, die in einer Klinik angeboten werden.

Etliche der bestehenden Stoffwechselzentren sind auch an kleineren Kreiskrankenhäusern angegliedert und leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung, der unbedingt zu erhalten ist. Dass die Einteilung in Levels keine Konsequenz für die Vergütung hat, ist insofern positiv zu beurteilen, als dass dadurch keine vorhandenen Strukturen existenziell gefährdet erscheinen. Gleichzeitig ergibt sich daraus jedoch auch, dass das Krankenhaustransparenzgesetz keine ausreichenden Anreize setzt, um die dringend benötigten zusätzlichen Versorgungskapazitäten aufzubauen.

Die BAG SELBSTHILFE regt deshalb an, die Anlage 2 zu § 135d (Leistungsgruppen der Krankenhausbehandlung) um die Leistungsgruppen „pädiatrische Stoffwechselmedizin“ und „internistische / geriatrische Stoffwechselmedizin“ zu erweitern, so dass die entsprechende Leistungserbringung sich zumindest positiv auf die Versorgungsstufe des jeweiligen Krankenhauses auswirkt.

Der Erhalt der bestehenden Versorgungsstrukturen und ihr notwendiger Ausbau setzen eine ausreichende Leistungs- und Vorhaltevergütung der Stoffwechselzentren über alle Versorgungslevel hinweg voraus, die im Rahmen der weiteren Umsetzung der Krankenhausreform sichergestellt werden.

Die notwendigen Versorgungsstrukturen müssen nicht nur finanziert werden, es braucht auch das dafür qualifizierte Personal. Deshalb unterstützt die BAG SELBSTHILFE Forderungen nach der Aufnahme von Zusatzweiterbildungen in der pädiatrischen und internistischen Stoffwechselmedizin in den Musterweiterbildungsordnungen.

Außerdem bittet sie in diesem Zusammenhang auch darum, die Diskriminierung erwachsener Patientinnen und Patienten im § 116b SGB V Abs. 1 Satz 2 Buchstabe j zu beenden, da diese Regelung sich bisher ausschließlich auf den Bereich der Kindermedizin bezieht.

2. Schmerztherapie/ Migräne

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE fehlt in den definierten Leistungsgruppen die Schmerztherapie. Sie sollte unserer Ansicht nach unter den weiteren Leistungsgruppen ergänzt werden.

Denn ein Angebot für die stationäre Schmerztherapie ist weiterhin zwingend nötig und versorgungsrelevant. Dies geschieht derzeit in folgenden Einrichtungen:

  • Spezialkliniken (Fachkrankenhäuser), die Level F zugeordnet werden sollten. Diese werden benötigt, um komplexe, schwer therapierbare und ambulant nicht ausreichend versorgte Patienten zu behandeln.
    Besonderheit bei den bestehenden Kopfschmerzkliniken:
    Sie werden von Patienten aus allen Bundesländern besucht. Zur bundesländerübergreifenden Versorgung findet sich im Entwurf wenig. Insoweit stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, wer den bundeslandübergreifenden Bedarf festlegt.
  • In größeren Kliniken (z.B. Universitätskliniken Level 3, seltener Level 2) findet man aktuell Abteilungen für Schmerztherapie, dafür besteht weiterhin großer Bedarf.
  • Multimodale Schmerztherapie findet auch in Tageskliniken statt (teilstationär). Diese versorgungsrelevanten Angebote dürfen nicht unter den Tisch fallen.
  • Wünschenswert wäre eine entsprechende Transparenz über die fachliche Qualifikation der Klinik für eine bestimmte Erkrankung auch im Geltungsbereich der Rehabilitationskliniken nach SGB VI. Gerade aus diesem Bereich treffen häufig Klagen über eine unzureichende Behandlung ein.

Düsseldorf/ Berlin 25.09.2023

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