Stellungnahme Pflegepersonalbemessungsverordnung – PPBV

Als Dachverband von 125 Bundesorganisationen der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und von 13 Landesarbeitsgemeinschaften begrüßt die BAG SELBSTHILFE die vorgesehene Umsetzung des § 137k aus dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz. Die BAG SELBSTHILFE hatte immer gefordert, dass ein Instrument eingeführt wird, das die angemessene und bedarfsgerechte Ausstattung der Krankenhäuser mit Pflegepersonal beinhaltet. Zwar hatte sie die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen damals – im Wesentlichen als Übergangsinstrument - unterstützt, es jedoch gleichzeitig für notwendig erachtet, dass die notwendige Ausstattung von Pflegepersonal festgelegt wird, die über die mit den PPUG inten-dierte Verhinderung von Patientengefährdungen hinaus geht.

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt die mit dem Entwurf vorgesehene Abbildung eines angemessenen Pflegebedarfs, hat jedoch an dem vorgesehenen Entwurf noch Nachbesserungsbedarf: Bei der Frühchen und Kinderintensivpflege stellt sich aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE das Problem, dass die Verordnung aus ihrer Sicht noch unterhalb der qualitativen Mindestanforderungen des G-BA bleibt.

Die Problematik soll am Beispiel der Frühchen-Versorgung illustriert werden:

  • Die Verordnung umfasst ausdrücklich auch die Personalbemessung für frühgeborene Kinder (vgl. § 17 Absatz 1). Hier ergibt sich ein Pflegeverhältnis, je nachdem ob die Kinder der Grundleistung Spezialpflege, erweiterten Leistung Intensivüberwachung oder besonderen Leistung Intensivtherapie zugeordnet werden ein Verhältnis von 1:4, 1:2 oder 1:1 (vgl. Anlage 6 ab. S. 66 sowie § 19 Absatz 5.)
     
  • Das Verhältnis für Intensivüberwachung 1:2 und Intensivtherapie 1:1 steht auch in der aktuellen QFR-RL des G-BA, dort als Mindestanforderung, die bei Nichterfüllung eigentlich zu der Konsequenz des Vergütungsausfall führen müsste - abgesehen davon, dass diese Konsequenz immer noch nicht stattfindet. Zumindest müssen die Nichterfüller-Krankenhäuser aber in den „klärenden Dialog“.
     
  • Aber wenn die Pflegepersonalbemessungsverordnung letztlich das Gleiche regelt wie eine Mindestanforderungs-RL des G-BA – nur, zumindest bislang noch, ohne Konsequenzen - ist aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE unklar, was dies dann für die Durchsetzbarkeit der Mindestanforderungen bedeutet.
     
  • Weiter regelt die QFR-RL ja auch detailliert, welche Pflegekräfte beim Pflegeverhältnis zur Anrechnung kommen dürfen. Für Pflegefachfrauen und -männer (nach der generalistischen Ausbildung) ist erforderlich, dass diese in der Ausbildung den Vertiefungseinsatz „pädiatrische Versorgung“ durchgeführt haben. Weitere Voraussetzung ist aber der Einsatz von mindestens 1250 Stunden in der direkten neonatologischen bzw. pädiatrischen Akutversorgung. Die Verordnung definiert nun auch die Kinderkrankenpflege in § 2 Absatz 2. Dort sind die Pflegefachfrauen und -männer mit Vertiefungseinsatz pädiatrische Versorgung gelistet. Für einen Einsatz auf der Intensivstation wird zumindest nach der Verordnung keine weitere Erfahrung gefordert.
     
  • Weiteres Beispiel für diese Frage ist auch, dass die Personalbemessungsverordnung für die Intensivpflege der Kinder nirgends den verpflichtenden Personaleinsatz von Pflegekräften mit einer Weiterbildung in der pädiatrischen Intensivpflege fordert. Die QFR-RL fordert hier einen Anteil von 40%, ebenso die Kinderherz-Richtlinie. Die Kinderonkologie-RL fordert mindestens zwei Pflegekräfte mit der Weiterbildung Onkologie.

Zwar gelten die Richtlinien des G-BA auch zum Pflegepersonal erst einmal weiter, wie in § 137k Absatz 6 SGB V und der Verordnung geregelt ist („die Beschlüsse des G-BA bleiben unberührt“). Aber die entsprechende Diskussion ist leider vorprogrammiert: Denn eigentlich würde man denken, dass ein Personalbemessungsinstrument am Ende zu mehr und auch qualifizierterem Personal führt als eine Richtlinie mit Mindestanforderungen, die der Logik des Qualitätsgebots aus § 2 SGB V folgt und der Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass auf eine Leistung, die dem Qualitätsgebot nicht entspricht, kein Anspruch besteht und daher auch kein Anspruch auf Vergütung. Auf eine Leistung mit einer Personalbemessung unterhalb der Mindestanforderungen besteht dann ja auch kein Anspruch. Die Konsequenz dieser Diskussion wird also sein, dass es zu einer Absenkung der Mindestanforderungen unter den Anspruch der Personalbemessungs-Verordnung kommen muss oder aber die Pflegeanforderungen komplett aus der QFR-RL verschwinden.

Möglicherweise ist die Problematik der relativ späten Aufnahme der Intensivstationen im Gesetzgebungsprozess geschuldet. Beim ersten Gesetzentwurf zum KHPflEGwar war der Intensivbereich noch ausdrücklich ausgenommen. In der Begründung stand „Auch die Pflege auf Intensivstationen für Erwachsene oder Kinder soll aufgrund der Besonderheiten dieser Bereiche nicht von den Vorgaben erfasst werden.“

Zu § 137k Absatz 6 SGB V: „Es wird klargestellt, dass die Mindestvorgaben zur Personalausstattung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 136a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 5 unberührt bleiben. Das bedeutet, dass die Vorgaben auf Grundlage von § 137l nicht gelten, soweit der G-BA im Rahmen der Festlegung von Mindestanforderungen strengere Vorgaben für die Ausstattung mit erforderlichem Pflegepersonal normiert. Dies umfasst insbesondere die Festlegung von konkreten Vorgaben für das Verhältnis von Patientin bzw. Patient zur Pflegekraft im Sinne eines Pflegeschlüssels durch den G-BA. Mit der Regelung wird ebenso wie in § 137i Absatz 1 Satz 6 der Vorrang der Mindestvorgaben zur Personalausstattung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 136a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 5 festgeschrieben und festgelegt, dass die Aufgabenzuweisung in § 137l (§ 137k) die Befugnis des G-BA gemäß § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 136a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 5 nicht beschränkt.“ Nach Änderungen durch den Ausschuss für Gesundheit wurde jedoch der Intensivbereich doch mit aufgenommen. Dadurch ergeben sich nun nach Auffassung der BAG SELBSTHILFE die beschriebenen Unklarheiten zu den Mindestanforderungen, die der G-BA im Kinder-Bereich festgelegt hat.

Hinzu kommt auch die Unklarheit bzgl. des Verhältnisses von Soll-Vorgaben der Verordnung und der Mindestanforderungen des GBA. Auch wenn es nun im ersten Schritt erst einmal darum geht, dass die Krankenhäuser auf Basis der Vorgaben ihre Ist-Personalausstattung übermitteln, so versteht die BAG SELBSTHILFE die in der Verordnung vorgesehenen Vorgaben zur Personalbemessung so, dass sie dann auch den Soll-Personalstand beschreiben. Die Mindestanforderungen adressieren dies entweder auch (Personalverhältnis bei Frühchen) oder gehen zum Teil noch darüber hinaus (Qualifikation des einzusetzenden Pflegepersonals).

Hinzu kommt, dass auch noch Sanktionen festgelegt werden sollen, wenn eine stufenweise Anpassung an die Soll-Besetzung nicht erfolgt. Auch diesbezüglich wäre dann das Verhältnis zu den Konsequenzen bei Nichteinhaltung von Mindestanforderungen (§ 137 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2 SGB V) klarzustellen. Soweit die Verordnung Versorgungsbereiche adressiert, zu denen G-BA Mindestanforderungen festgelegt hat, muss aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE klar sein, dass es dort nicht zu einer stufenweisen Anpassung kommen kann, sondern dass diese bereits zu erfüllen sind. Die Konsequenzen hat der G-BA in seinen Richtlinien zu regeln (§ 137 Absatz 1 Satz 4 ff SGB V).

Düsseldorf/ Berlin 29.11.2023

Gesundheitspolitik
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