Stellungnahme zum Entwurf des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 und zum Antrag der Fraktion B90/GR (19/24633) „Selbsthilfe und Teilhabe ermöglichen – Barrierefreiheit umfassend umsetzen“

Wir begrüßen den Entwurf eines Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes, welches den europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit (Richtlinie (EU) 2019/882-EAA) in nationales Recht überführt. Die Umsetzung ist europarechtlich verpflichtend. Eine inklusive Gesell-schaft setzt voraus, dass es keine Barrieren gibt, die den Menschen mit Behinderungen die Teilhabe verwehren. Hier stehen wir in Deutschland noch vor einer gro-ßen Aufgabe. Die Umsetzung des EAA kann dabei nur ein erster Baustein auf dem langen Weg zur Erreichung von Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen sein. Wir begrüßen die grundsätzlichen Bestrebungen des Gesetzgebers die Barrierefreiheit von Dienstleistungen und Produkten in Deutschland voranzutreiben.

Der Gesetzesentwurf schöpft jedoch leider nicht alle Spielräume aus, die die Richtlinie den nationalen Gesetzgebern zur Weiterentwicklung der Barrierefreiheit gegeben hat.

Der vorliegende Gesetzentwurf bleibt daher in einigen Bereichen weit hinter den Erwartungen von Menschen mit Behinderungen an das Umsetzungsgesetz zurück.

Insbesondere zu folgenden drei Punkten sind aus Sicht der BAG SELBSTHILFE Änderungen an dem bislang vorliegenden Gesetzentwurf dringend erforderlich:

  • Es muss eine zentral organisierte Marktüberwachung geben. Die Marktüberwachung sollten die Behörden wahrnehmen, die ohnehin mit den jeweiligen Sachverhalten befasst sind.
  • Die Marktüberwachungsbehörden dürfen keinen Ermessenspielraum haben, wenn Dienstleistungen nicht den Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen. Die „Kann-Regelungen in §§ 29 Abs. 3 S 1 und 30 Abs. 4 S. 1 müssen durch verpflichtende Bestimmungen ersetzt werden.
  • Die vorgesehenen Übergangsfristen müssen – auch vor dem Hintergrund der Pandemie, welche die Digitalisierung stark beschleunigt hat – abgekürzt werden.

Im Einzelnen ist zu dem vorliegenden Gesetzentwurf Folgendes auszuführen:

Abschnitt 1

Zweck, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen

Der Anwendungsbereich des Gesetzes soll Produkte und Dienstleistungen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie erfassen. Im Produktbereich werden Hardwaresysteme, Selbstbedienungsterminals, aber auch Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, wie Handys und Tablets aufgegriffen. Im Dienstleistungsbereich sind dies vor allem Telekommunikationsdienste, Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr.

§ 1 Abs. 2 Nr. 4

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE wäre eine Ergänzung im Gesetzestext wünschenswert, dass bei den „Verbrauchergeräten mit interaktivem Leistungszugang, die für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden“ explizit Patientenbildschirme aufgeführt werden. Eine solche Klarstellung wäre für die Anwendungspraxis des Gesetzes nämlich sehr hilfreich.

§ 1 Abs. 3 Nr. 1

Im Gesetzestext zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 wäre aus Sicht der BAG SELBSTHILFE für die Praxis auch die folgende Ergänzung dienlich: „Zu den Telekommunikationsdiensten gehören insbesondere Sprachtelefonie, Internettelefonie, E-Mail-Übertragungsdienste, als auch SMS-Dienste und Messenger-Dienste“.

Auch dieser Ergänzungswunsch erweitert den Anwendungsbereich nicht, sondern wäre eine hilfreiche Erläuterung für die Praxis.

§ 1 Abs. 3 Nr. 2

Die in § 1 Abs. 3 Nr. 2 lit. a) bis e) aufgezählten Elemente von Personenbeförderungsdiensten sollten auch vollumfänglich für die Stadt- und Vorortverkehrsdienste und Regionaldienste gelten.

Regelung der baulichen Umwelt / der Zugangswege

Der Zweck des Gesetzes für die barrierefreie Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen zu sorgen und dadurch für Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf Teilhabe in der Gesellschaft zu stärken ist grundsätzlich begrüßenswert.

Der Entwurf enthält leider keine Anforderungen an die Barrierefreiheit der baulichen Umwelt und die Zugangswege. Mit Blick auf Artikel 9 der UN-BRK und Artikel 3 des Grundgesetzes sollte das vorliegende Gesetz aber sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen endlich die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen ohne Barrieren ermöglicht wird.

Der an sich barrierefreie Geldautomat ist nur dann tatsächlich barrierefrei, wenn Hindernisse zu seiner Erreichbarkeit real beseitigt werden.

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird zu Zielsetzung und Notwendigkeit der gesetzlichen Regelungen darauf abgestellt, dass besser zugängliche Produkte und Dienstleistungen eine inklusivere Gesellschaft ermöglichen und Menschen mit Behinderungen ein unabhängiges Leben erleichtern.

Die Menschen mit Behinderungen erwarten daher, dass diese Zielsetzung dann aber auch konsequent aufgegriffen wird, indem zumindest im vorliegenden Gesetz die Vorgabe aufgenommen wird, dass die Bundesländer verbindliche Anforderungen an die Barrierefreiheit der baulichen Umwelt festzulegen haben. Ansonsten läuft das Barrierefreiheitsgesetz in vielen Bereichen ins Leere.

Abschnitt 2

Anforderungen an die Barrierefreiheit

§ 3 Abs. 1

Der Gesetzesentwurf beinhaltet in § 3 Abs. 1 eine allgemeine Definition für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen. Es ist aus Sicht der BAG SELBSTHILFE begrüßenswert, dass die im Entwurf vorgesehene Definition auf Nachdruck der Verbände von Menschen mit Behinderungen nun der Definition des § 4 Behindertengleichstellungsgesetzes entspricht. Sie stellt für Produkte und Dienstleistungen darauf ab, dass sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.

§ 3 Abs. 2

Es ist nachvollziehbar, dass die konkrete Ausgestaltung der Barrierefreiheitsanforderungen in der noch zu erlassenden Rechtsverordnung geregelt werden wird, da diese ansonsten das Gesetz überfrachtet hätten. Bei der Umsetzung des für Bund und Länder verpflichtenden Anhang I der Richtlinie wird allerdings zu beachten sein, dass detaillierte auch technische Bestimmungen (z.B. DIN-Normen) konkret benannt werden. Die BAG SELBSTHILFE fordert, dass in dem Verfahren um die Rechtsverordnung Verbände von Menschen mit Behinderungen intensiv und von Anfang an eingebunden werden. Ferner muss die Rechtsverordnung schnell und rechtssicher auf den Weg gebracht werden.

§ 3 Abs. 3

Die Verpflichtungen zur Barrierefreiheit gemäß diesem Gesetz gelten nicht für Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen innerhalb des Geltungsbereiches erbringen. Die Erarbeitung von Leitlinien sind vorgesehen, um Kleinstunternehmen die Anwendung des Gesetzes zu erleichtern.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE sind hier aber weitergehende Förderprogramme erforderlich, damit Unternehmen überhaupt in die Lage versetzt werden, den Anforderungen an die Barrierefreiheit gerecht zu werden.

Abschnitt 3

Pflichten der Wirtschaftsakteure

Es ist als erster Schritt begrüßenswert, dass mit dem BFSG Wirtschaftsakteure gewährleisten müssen, die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen sicherzustellen, soweit diese vom BFSG umfasst sind.

§ 15

Im Hinblick darauf, dass nun erstmals auch Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen von privaten Anbietern im Software- und IT Bereich geregelt werden, begrüßt es die BAG SELBSTHILFE sehr, dass der Gesetzesentwurf die Beratung der Kleinstunternehmen durch die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit vorsieht und damit auch deren Aufgabenbereich in den privaten Bereich erweitert.

Mit der Beratung von Kleinstunternehmen auch im Bereich von Dienstleistungen, die nach § 3 Absatz 3 von der Pflicht zur Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen ausgenommen sind, besteht zumindest die Möglichkeit, auch in diesem Bereich die Anwendung der Barrierefreiheit voranzutreiben.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE sollte bei der Bundesfachstelle ein Gremium installiert werden, dass in einen Austausch über Barrierefreiheit gehen kann. In diesem könnten neben Vertretern der Bundesfachstelle sowohl Vertreter der Wirtschaft, als auch Vertreter von Verbänden für Menschen mit Behinderungen teilnehmen, um in den Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch zu treten.

Nicht nachvollziehbar ist es, dass die Überwachungsstelle des Bundes für Informationstechnik im aktuellen Entwurf nicht mehr zur Unterstützung der Bundesfachstelle vorgesehen ist.

Darüber hinaus wäre es aus Sicht der BAG SELBSTHILFE wünschenswert, wenn nicht nur für Kleinstunternehmen, sondern für alle Unternehmen ein flächendeckendes Beratungsangebot zur Gewährleistung der Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen existieren würde.

Auch sollte die Beratung nicht nur darauf ausgerichtet sein, bei fehlender Barrierefreiheit Nachbesserungen zu ermöglichen. Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es im Sinne eines präventiven Verbraucherschutzes unerlässlich, dass Unternehmen bereits bei der Produktentwicklung, eine beratende Anlaufstelle zur Verfügung haben, damit sie Produkte und Dienstleistungen schon im Entwicklungsstadium barrierefrei konzipieren lassen können.

Abschnitt 6 und Abschnitt 7

Marktüberwachung für Produkte und Dienstleistungen

In den Abschnitten 6 und 7 sind Regelungen zur Marktüberwachung von Produkten und Dienstleistungen vorgesehen. Diese soll bei den einzelnen Bundesländern liegen.

Hinsichtlich eines wirkungsvollen Umsetzungsgesetzes ist es jedoch von größter Bedeutung, dass die vorgesehenen Pflichten der Wirtschaftsakteure im Rahmen einer zentralen Organisation effektiv überprüft und überwacht werden. Dabei sollte auf bereits bestehende Strukturen auf Bundesebene zurückgegriffen werden:

Für den Bereich der Produktsicherheit überprüft die Bundesnetzagentur im Rahmen ihrer Tätigkeit bereits elektronische Produkte, unter die auch die vom Gesetz erfassten Produkte zählen. Für den Bereich der Dienstleistungen bietet sich eine Überwachung durch die Bundesnetzagentur schon deshalb an, da es sich fast ausschließlich um digitale Dienstleistungen handelt und die Bundesnetzagentur mit der Prüfung von Netzstrukturen vertraut ist.

Im Bereich der Bankdienstleistungen sollte die Marktüberwachung durch die Bundesanstalt für Finanzaufsicht erfolgen, da diese nach § 4 Abs. 1a Satz 1 FinDAG ohnehin bereits Überwachungstätigkeiten im Bereich des Verbraucherschutzes wahrnimmt.

Ferner liegt es aus unserer Sicht auf der Hand, dass das Eisenbahn-Bundesamt die Marktüberwachung der Anforderungen aus dem Barrierefreiheitsgesetz bei den Personenbeförderungsdiensten im Bereich Eisenbahn übernimmt. Da das Eisenbahn-Bundesamt ohnehin im Rahmen der Durchsetzung der Fahrgastrechte-Verordnung dafür zuständig sein wird, zu überprüfen, ob die Eisenbahnunternehmen Fahrgastinformationen vor und während der Fahrt entsprechend den Anforderungen des EAA zur Verfügung stellen, könnten hier Synergieeffekte genutzt werden.

Erfahrungsgemäß werden die Länder mit ihren personellen Ressourcen nicht in der Lage sein eine einheitliche und abgestimmte Marktüberwachung zu leisten.

Sollte die Marktüberwachung ganz oder teilweise in die Zuständigkeit der Bundesländer übertragen werden, muss sichergestellt sein, dass ein verbindlicher Kooperationsrahmen und Informationsaustausch sowie die Bereitstellung des notwendigen Expertenwissens stattfindet. Unverständlich ist, dass der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (im Folgenden BAuA) nicht zumindest die Befugnis eingeräumt wurde, dies verpflichtend zu organisieren.

Stellen die Marktüberwachungsbehörden fest, dass eine Dienstleistung nicht die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt bzw., dass formale Nichtkonformität einer Dienstleistung vorliegt, so muss dies für den Wirtschaftsakteur Konsequenzen haben.

Anderenfalls werden unzulängliche Dienstleistungen angeboten, wenn Wirtschaftsakteure keine Sanktionen zu befürchten haben. Menschen mit Behinderungen sind aber auf zugängliche Dienstleistungen angewiesen, um sie nutzen zu können.

Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Marktüberwachungsbehörde hier nur die erforderlichen Maßnahmen treffen „kann“. Im Interesse von Menschen mit Behinderungen sind die in § 29 Abs. 3 S. 1 und § 30 Abs. 4 S. 1 enthaltenen „Kann-Regelungen“ durch verpflichtende Bestimmungen zu ersetzen.

Gemäß § 20 Abs. 2 des Entwurfs übermitteln die Länder ihre Marktüberwachungsstrategien an die zentrale Verbindungsstelle. Die zentrale Verbindungsstelle ist Schnittstelle zum Unionsnetzwerk für Produktkonformität; deren Aufgaben werden von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen wahrgenommen.

Die Erstellung der Marktüberwachungsstrategien sollte unter Beteiligung der Verbände von Menschen mit Behinderungen erfolgen.

Ferner sollte gewährleistet werden, dass die zentrale Verbindungsstelle, die Zusammenfassung der Marktüberwachungsstrategien in barrierefreier Form der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

In § 24 Abs. 1 ist vorgesehen, dass die BAuA durch die Marktüberwachungsbehörden unterrichtet werden muss, wenn letztere der Auffassung sind, dass die beanstandeten Produkte auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellt werden. Durch die Weiterleitung der Informationen durch die BAuA an die EU-Kommission und an die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union soll eine effektive Weitergabe aus den Bundesländern gewährleistet sein, da die BAuA Informationen zu einem Produkt aus mehreren Bundesländern zusammenfassen kann.

Aus unserer Sicht ist es erforderlich, dass die BAuA von den Marktüberwachungsbehörden auch Detailauskünfte zu deren Überwachungstätigkeiten anfordern kann

Gemäß § 31 des Entwurfs haben die Marktüberwachungsbehörden die Öffentlichkeit in einer geeigneten Weise über ihre Existenz, ihre Zuständigkeiten, die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, ihre Arbeit und ihre Entscheidungen barrierefrei zu informieren.

Wünschenswert wäre aus unserer Sicht eine Beschwerdestelle für Betroffene, die schon hinsichtlich der Transparenz bei der BAuA angesiedelt werden sollte, damit eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene gegeben ist, vergleichbar wie die Beschwerdestelle der Knappschaft.

Auch für die BAuA würde dies weitere Erkenntnismöglichkeiten zur Umsetzung des Gesetzes eröffnen.

Abschnitt 8

Verwaltungsverfahren, Rechtsbehelfe, Schlichtung

Es müssen breitgefächerte Möglichkeiten zur Durchsetzung der rechtlichen Vorgaben sichergestellt werden. Verbraucher können im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens von der Marktüberwachungsbehörde verlangen, Maßnahmen gegen Wirtschaftsakteure vorzunehmen, wenn deren Produkte und Dienstleistungen nicht den Anforderungen entsprechen. § 33 regelt die Rechte der Verbraucher in Bezug auf ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, § 33 Abs. 2 regelt das Verbandsklagerecht.

Es ist an sich begrüßenswert, dass die Einschränkung der Vertretungsbefugnis des § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 6 laut Begründung für die Verbände nicht mehr gelten soll, allerdings wird diesseits bezweifelt, ob § 33 Abs. 1 hinsichtlich der Vertretungsbefugnis die speziellere Norm ist. Rechtsunsicherheiten müssen hier vermieden werden. Ferner betrifft § 33 Abs. 1 nur das Verfahren in erster Instanz und ist für ein Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht nicht einschlägig.

Vorgenannte Regelungen sind jedoch noch nicht ausreichend, um eine komplexe Rechtsumsetzung durchsetzen zu können. Zusätzlich sollte eine Regelung ergänzt werden, dass Verbände auch gegen die Wirtschaftsakteure klagen können, um Barrierefreiheit durchzusetzen. Zwar ist es begrüßenswert, dass § 34 Abs. 1 den Weg zur Schlichtungsstelle nach § 16 BGG eröffnet und auch die Hinzuziehung der Marktaufsichtsbehörde beantragt werden kann. Allerdings wäre ein spezifisches flächendeckend erreichbares Netz von Schlichtungsstellen wünschenswert, um Betroffenen eine ortsnahe und niedrigschwellige Klärung zu ermöglichen.

Abschnitt 10

Berichterstattung, Bußgeldvorschriften und Übergangsbestimmungen

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt die im Entwurf vorgesehenen Bußgeldvorschriften.

§ 38

Die Bestimmungen des BFSG sind erst ab dem 28.06.2025 anzuwenden, also für Produkte die nach dem 28.06.2025 in den Verkehr gebracht werden und auch für Dienstleistungen, die nach diesem Datum erbracht werden. Schon dieser Zeitraum ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der beschleunigten Digitalisierung zu lang für Menschen mit Behinderungen, die auf eine barrierefreie Nutzung von Produkten und Dienstleistungen warten.

Zusätzlich ist jedoch vorgesehen, dass Dienstleistungserbringer ihre Dienstleistungen weiterhin bis zum 27.06.2030 unter Einsatz von Produkten erbringen können, die von Ihnen bereits vor dem 28.06.2025 rechtmäßig eingesetzt wurden. Für Selbstbedienungsterminals nach Abs. 2 gilt sogar ein erweiterter Übergangszeitraum von 15 Jahren.

Es ist sozialpolitisch nicht zumutbar, dass Menschen mit Behinderungen praktisch erst ab dem Jahr 2040 barrierefreie Selbstbedienungsterminals nutzen können. Dazwischen liegt die Zeit einer ganzen Generation.

Die BAG SELBSTHILFE lehnt diese langen Übergangsbestimmungen entschieden ab und fordert nachdrücklich, dass die Nutzung von barrierefreien Dienstleistungen möglichst schnell und rechtssicher möglich sein muss.

Fazit und Ausblick

Der vorliegende Entwurf des BFSG ist wegen der langen Übergangsfristen offenbar eher wie eine Zukunftsvision für Menschen mit Behinderungen zu begreifen. Diese Vision bezieht sich auch nur auf bestimmte Produkte und Dienstleistungen. Die Lebenswirklichkeit für Menschen mit Behinderungen ist aber vielgestaltiger: Es bestehen keine Verpflichtungen für Kino-, Hotel- und Gaststättenbetreiber, deren Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Auch Online-Shop-Betreiber können sich davor drücken, diese barrierefrei zu gestalten.

Barrierefreiheit muss jedoch ganzheitlich gedacht werden, um den Anforderungen des Art. 9 der UN-BRK zu genügen.

So sind Barrieren insbesondere beim Wohnraum, im Gesundheitsbereich, in der Mobilität sowie beim Zugang zu Medien abzubauen.

Dem Antrag „Selbstbestimmung und Teilhabe ermöglichen – Barrierefreiheit umfassend umsetzen“, Drucksache 19/24633, ist daher aus Sicht der BAG SELBSTHILFE vollumfänglich zuzustimmen.

Hinsichtlich der Mittel für das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ fordert die BAG SELBSTHILFE über den Antrag auf S. 3 hinaus, dass die entsprechenden Mittel auf den Stand von 2020 (190 Mio EUR) heraufgesetzt werden sollten. Ferner ist ein bundesweites Register für barrierefreien Wohnraum erforderlich, um ein ideales Matching zwischen vorhandenem Angebot und Wohnungssuchenden mit bestimmten Beeinträchtigungen zu ermöglichen.

Nur so besteht Aussicht, die bestehenden Bedarfe nach barrierefreiem Wohnraum abdecken zu können.

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