Stellungnahme zum Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung

Wir begrüßen die Regelung eines Anspruches mit präventiver Antikörpertherapie für bestimmte Personengruppen sehr.

Sie hat aber an einigen Stellen noch Ergänzungsbedarf:

1. Erforderlicher Nachweis für die fehlende Immunantwort (§ 1 Abs. 6 S. 2 SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung)

Es ist zu begrüßen, dass die im Entwurf bezeichneten Personen einen Anspruch auf Versorgung mit monoklonalen Antikörpern zur Prophylaxe gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 haben, wenn Sie keine oder keine ausreichende Immunantwort nach Impfungen gegen COVID-19 entwickeln.

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ist jedoch nicht definiert, ob in der Praxis die Bestimmung der Antikörpertiter nach den Impfungen ausreicht oder ob auch die Bestimmung der T-Zell-Konzentration erforderlich ist, um bei mangelnder Immunität einen Versorgungsanspruch zu erlangen. Sollte letzteres der Fall sein, müsste aus ihrer Sicht gleichzeitig geregelt werden, dass die Kosten für die T-Zell-Bestimmung von der GKV übernommen werden.

2.Beschreibung der Personengruppe, bei der medizinische Gründe für einen Anspruch auf präventive Antikörpertherapie vorliegt (§ 1 Abs. 6 S. 2 SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung)

Die BAG SELBSTHILFE sieht insbesondere bei der Personengruppe, für die eine Antikörpertherapie in Frage kommt noch Nachbesserungsbedarf:

a.Beschreibung der Personengruppe, bei deren Grunderkrankungen eine präventive Antikörpertherapie in Frage kommt

Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE besteht das Risiko, dass die Beschreibung der Personengruppe zur Folge hat, dass bestimmte Menschen, die eine präventive Antikörpertherapie benötigen, nicht erfasst sind oder dies jedenfalls einschränkend ausgelegt wird. Denn bei der Beschreibung der Personengruppe erfolgt auch in der Verordnungsbegründung keine – wenigstens beispielhaft dargestellte - Erläuterung der Grunderkrankungen, bei denen eine präventive Antikörpertherapie notwendig ist.

Die rheumatologische Fachgesellschaft hat sich bereits sehr konkret mit der Frage befasst, für welche Gruppen die Medikamente eingesetzt werden sollen[1]:   Neben den in der Verordnung genannten beiden Gruppen werden zusätzlich Patient*innen genannt, die

  • eine hohe Krankheitsaktivität haben
  • eine rheumatische Erkrankung mit relevanter Organbeteiligung haben (z.B. Nieren oder Lungenbeteiligungen, was u.a. bei Lupus erythematodes und Sklerodermie häufig auftritt)
  • entzündlich-rheumatische Erkrankungen und zusätzlich allgemeine Risikofaktoren und Komorbiditäten für einen schweren COVID-19-Verlauf haben.

Insgesamt befürchtet die BAG SELBSTHILFE, dass die Verschreibungsmöglichkeiten für die Ärzte mit der Formulierung in der Verordnung und der Verordnungsbegründung zu restriktiv beschrieben sind. Insoweit sollte eine Formulierung im Verordnungstext gefunden werden, die diese Personengruppe erfasst und es sollte die Gruppe der Grunderkrankungen – zumindest bespielhaft – näher beschrieben werden.

b. Klarstellende Ergänzung der „erworbenen“ Immundefekte

Die BAG SELBSTHILFE befürwortet darüber hinaus an einer Stelle noch eine kleinere Ergänzung im Verordnungstext selbst. Denn die Spätfolgen/Organschäden (z.B. Leberzirrhose oder Niereninsuffizienz) sind oft entscheidender für eine geschwächte Immunabwehr als die Frage, welche ursprüngliche Grunderkrankung dazu geführt hat. Insoweit schlägt die BAG SELBSTHILFE zur Klarstellung vor, das Wort „erworben“ bereits in der Verordnung bei den Immundefekten mit aufzunehmen und nicht erst im Begründungstext:

„Medizinische Gründe im Sinne von Satz 1 Nummer 1 können insbesondere aufgrund von angeborenen oder erworbenen Immundefekten, Grunderkrankungen oder aufgrund immunsuppressiver Therapie, die zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung der Immunantwort führen kann, vorliegen.“

3. Keine Subsidiarität bzw. Verweisung auf preiswertere Medikamente für Menschen mit schwerer Immunsuppression, insbesondere bei Organtransplantation

Nicht alle Medikamente und monoklonalen Antikörper mit einer Zulassung in der EU bzw. Deutschland können bei allen Erkrankungen mit Immunschwäche eingesetzt werden. Interaktionen u.a. mit bestimmten lebensnotwendigen Immunsuppressiva oder auch schwere Nebenwirkungen können dazu führen, dass diese etwa nicht von Organtransplantierten verwendet werden dürfen (siehe Newsletter der Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover[2] und die Einschätzung der Deutschen Transplantationsgesellschaft[3]).


Dies kann dazu führen, dass nur sehr kostenintensive Antikörper eingesetzt werden dürfen. Hier sollte sichergestellt werden, dass die Kosten in der Praxis von der GKV auch übernommen werden und die Patient*innen nicht gezwungen sind, weniger wirksame oder gar schädliche Präparate zu akzeptieren. Dies könnte etwa durch eine ergänzende Klarstellung in der Verordnung und ein entsprechendes Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes umgesetzt werden.  Hier sollte auch auf folgendes hingewiesen werden: Beim Einsatz von Evusheld bei Organtransplantierten ist zu beachten, dass es hier der doppelten vorgesehenen Dosis von beiden Antikörpern bedarf, die jeweils ins Gesäß gespritzt werden.

4- Auslaufen des Anspruchs zum 25. November (§ 9 Abs. 1 SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung)

Als problematisch sieht die BAG SELBSTHILFE die zeitliche Begrenzung des Versorgungsanspruchs an, der an das Auslaufen der Verordnung zum 25. November 2022 gekoppelt ist.
 

Denn die monoklonalen Antikörper haben eine begrenzte Wirkdauer und schützen daher nur eine gewisse Zeit vor schweren COVID-19-Erkrankungen. So geht man beispielsweise im Fall von Evusheld davon aus, dass die Schutzwirkung sechs Monate anhält. Dies bedeutet jedoch, dass die Antikörperkombination nach diesem Zeitraum erneut verabreicht werden müsste.


Menschen mit Immunschwäche oder unter immunsupprimierender Therapie, wie etwa Organtransplantierte, hätten jedoch nach der im Referentenentwurf genannten Ablauffrist keinen Versorgungsanspruch mehr. Dies ist insbesondere im Herbst, wo eine weitere Welle zu erwarten ist, besonders problematisch. Vor diesem Hintergrund sollte die Befristung entfallen.


[1] Newsletter der MHH, zit. nach https://www.mhh.de/fileadmin/mhh/pneumologie/downloads/pdf/mhh_ltx_newsletter.pdf  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen

[2] DTG, Informationen zu Covid-19, zit. nach: https://d-t-g-online.de/index.php/covid-19


[3] Deutsche Rheumatologische Fachgesellschaft, zit. nach: https://dgrh.de/Start/Wissenschaft/Forschung/COVID-19/Neue-Empfehlungen-zu-COVID-19-und-Rheuma.html

 

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