Stellungnahme zum Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (BT-Drucksache 20/5334, 20/5662)

Als Dachverband von 123 Bundesverbänden der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und deren Angehörigen sowie von 13 Landesarbeitsgemeinschaften bedanken wir uns für die Möglichkeit, zu dem uns übersandten Gesetzentwurf Stellung zu nehmen.

 

Die BAG SELBSTHILFE und ihre Mitgliedsverbände begrüßen es sehr, dass die Unabhängige Patientenberatung mit dem nun auf dem Weg gebrachten Gesetz im Rahmen einer rechtskräftigen Stiftung neu strukturiert und verstetigt werden soll.

Es ist auch sehr zu begrüßen, dass mit den Regelungen des Gesetzentwurfs das Ziel verfolgt wird, den Kriterien der Unabhängigkeit, der Staatsferne sowie der Dauerhaftigkeit umfassend Rechnung zu tragen.

Vor allem aber ist es wichtig, dass das Beratungsangebot der künftigen UPD patientenorientiert ausgestaltet wird. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass den maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V eine wesentliche Rolle in der Stiftung zugewiesen wird.

Ferner ist zu begrüßen, dass nach § 65 b Abs. 2 n.F. SGB V die Grundstruktur des künftigen Beratungsangebotes sowohl ein bundesweites und zentral organisiertes digitales und telefonisches Informations- und Beratungsangebot, aber auch regionale Informations- und Beratungsangebote beinhalten soll.

Es ist andererseits aber aus Sicht der BAG SELBSTHILFE auch sachgerecht, die detaillierte Ausgestaltung des Angebotes dem künftigen Stiftungsvorstand zu übertragen.

Lediglich die enge und organisatorische Verzahnung der UPD mit den Angeboten der Selbsthilfe und der EUTB-Beratungsstellen sollte aus Sicht der BAG SELBSTHILFE noch zusätzlich explizit im Gesetzestext angesprochen werden.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es begrüßenswert, dass mit dem Gesetzentwurf der Versuch unternommen wird, eine inhaltliche Einflussnahme des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. möglichst auszuschließen. Dies ist die Grundlage dafür, dass die Beratungsarbeit künftig tatsächlich unabhängig erfolgen kann.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist das Problem einer möglichen Einflussnahme mit den Regelungen des § 65b Absatz 11 n.F. SGB V aber nicht hinreichend gebannt. Insbesondere über die Prüfung der Haushaltsaufstellung und der zweckentsprechenden Mittelverwendung besteht die Gefahr einer unangemessenen Einflussnahme.

Vorzugswürdig wäre es aus Sicht der BAG SELBSTHILFE daher, wenn die Finanzierung der künftigen Stiftung direkt aus dem Gesundheitsfonds ermöglicht würde.

Insgesamt ist aber das Volumen der finanziellen Ausstattung der Stiftung sowie die im § 65 b Abs. 11 S. 3 n.f. SGB V vorgesehene Dynamisierung des Zuwendungsbetrages ausdrücklich zu begrüßen.

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt es auch sehr, dass den maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V das Vorschlagsrecht für die Besetzung des Stiftungsvorstandes eingeräumt wird und dass dieses Vorschlagsrecht nach § 65 b Absatz 4 Satz 2 n. F. SGB V einvernehmlich ausgeübt werden muss.

Zu überdenken ist aus Sicht der BAG SELBSTHILFE allerdings die in § 65 b Abs. 6 n.F. SGB V vorgesehene Zusammensetzung des Stiftungsrates der künftigen Stiftung:

  1. Um die Vielfalt der Kompetenzen in den maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V abzubilden, sollte die Anzahl der Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter nach Absatz 6 Nr. 2 von 6 auf 7 erhöht werden.
  2. Anstelle der Formulierung „von Organisationen, die sich für die Belange von Patientinnen und Patienten einsetzen“ sollte in Absatz 6 Nr. 2 formuliert werden „der maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f“.
  3. Nicht ganz einleuchtend ist, warum neben dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten explizit noch zwei weitere Mitglieder des Deutschen Bundestages Mitglieder des Stiftungsrates werden sollen. Unklar ist auch, wie die Auswahl der Personen erfolgen soll und ob die Mitwirkung an den Fortbestand des Mandats gekoppelt sein soll.

Schließlich sollten die Kontrollbefugnisse des Stiftungsrates gegenüber dem Stiftungsvorstand etwas konkreter gefasst werden, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.

Im Einzelnen ist zu den vorgesehenen Regelungen des Gesetzentwurfs Folgendes auszuführen:

  1. Stiftungszweck und Struktur des künftigen Beratungsangebots

Die im Gesetzentwurf getroffenen Festlegungen zum Stiftungszweck der Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland und zur künftigen Beratungsstruktur in
§ 65 Abs. 1 und 2 n.F. SGB V finden die Zustimmung der BAG SELBSTHILFE.

Der Schwerpunkt der Beratung sollte aus Sicht der BAG SELBSTHILFE künftig etwas stärker auf der Beratung zu gesundheitsbezogenen Fragen und auf einer Stärkung der sog. navigationalen Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger in einem immer komplexer werdenden Gesundheitssystem liegen. Die Patientenberatung darf nicht auf eine Rechtsberatung verkürzt werden.

Das Angebot der künftigen UPD darf auch nicht als kontextloses Geschehen begriffen werden. Eine intensive Kooperation mit den Beratungsangeboten der Selbsthilfe und mit den Beratungsangeboten der Ergänzenden unabhängigen Teilehabeberatung ist essentiell, um die gesamte Bandbreite der Beratungsbedarfe Ratsuchender abdecken zu können.

Ferner sollte die Infrastruktur der künftigen Stiftung Unabhängige Patientenberatung auch für die Selbsthilfe nutzbar gemacht werden. Teil dieser Infrastruktur ist zum einen eine Wissensplattform zur Gewährleistung einer evidenzbasierten bzw. rechtlich korrekten Beratung.

Aus diesem Grund schlägt die BAG SELBSTHILFE in § 65 b Abs. 2 nach Satz 2 folgende Ergänzung des Gesetzestextes vor:

„Zur digitalen Unterstützung einer qualitätsgesicherten standortübergreifenden Beratung unterhält die Stiftung eine Wissensplattform für die Beraterinnen und Berater. Darüber hinaus hält die Stiftung ein Dokumentationssystem für alle Beratungen vor, das nicht nur das jeweilige fallbezogene Wissen für etwaige Folgeberatungen verfügbar hält, sondern das es auch erlaubt, fallübergreifend Versorgungsprobleme zu erkennen und zu analysieren. Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen, die Teil der Patientenvertretung nach § 140 f sind, können die Wissensplattform für ihre Beratungsangebote und die fallübergreifenden Analysen des Dokumentationssystems für die Umsetzung der Patientenbeteiligung nach
§ 140 f eigenständig nutzen.

Darüber hinaus besteht ein Kooperationskonzept der Stiftung zur Zusammenarbeit mit der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe und den Einrichtungen der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung, das veröffentlicht und mit diesen Partnern fortlaufend weiterentwickelt wird.“

Es ist nämlich nicht einzusehen, dass wichtige Grundlagen einer evidenzbasierten Beratungsarbeit, die über § 65 b SGB V aus Versichertengeldern finanziert werden, nicht auch für kooperierende Beratungsangebote nutzbar gemacht werden sollen.

Entsprechendes gilt für die Erkenntnisse aus der Patientenberatung, die eine wichtige Grundlage für die Patientenbeteiligung in den Gremien des Gesundheitswesens sein können.

Schließlich tritt die BAG SELBSTHILFE dafür ein, dass dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen in § 65 Abs. 1, letzter Satz n.F. SGB V eine Umsetzungsfrist bis zum 30.09.2023 mit einer Ersatzvornahmemöglichkeit durch das Bundesministerium für Gesundheit gesetzt wird.

Soll das Ziel einer wirkungsvollen Stiftungsarbeit ab dem 01.01.2024 erreicht werden, dann sind rigide Umsetzungsvorschriften unerlässlich.

  1. Stiftungsrat

Die BAG SELBSTHILFE würde es begrüßen, wenn der Stiftungsrat der künftigen Stiftung mit 7 Personen aus dem Kreis der maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V besetzt würde.

In § 65 b Absatz 6 Nr. 6 n.F. SGB V sollte besser auch „der maßgeblichen Patientenorganisation nach § 140 f SGB V“ formuliert werden.

Überprüfungsbedürftig sind aus Sicht der BAG SELBSTHILFE die Bestimmungen in
§ 65 b Absatz 6 Nr. 1 und 3, da die Staatsferne der Stiftung nicht unbedingt mit einer unmittelbaren politischen Präsenz im Stiftungsrat vereinbar ist.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE sollten die Kontrollbefugnisse des Stiftungsrates gegenüber dem Stiftungsvorstand etwas konkreter gefasst werden.

Es sollte anhand von Regelbeispielen in § 65 Absatz 5 n.F. SGB V klargestellt werden, dass insbesondere Standortentscheidungen zu Beratungsangeboten, Veränderungen in der personellen Organisationsstruktur der Stiftung und die inhaltliche Ausgestaltung des Kooperationskonzepts mit der Selbsthilfe und der Ergänzenden unabhängigen Patientenberatung zu den Entscheidungen und Fragen grundsätzlicher Bedeutung gehören, bei denen der Stiftungsrat zu beteiligen ist.

  1. Stiftungsvorstand

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt uneingeschränkt, dass den maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V das Vorschlagsrecht für die Besetzung des Stiftungsvorstandes eingeräumt wird und dass dieses Vorschlagsrecht nach § 65 b Abs. 4
Satz 4 n.F SGB V einvernehmlich ausgeübt werden muss.

So kann sichergestellt werden, dass der künftige Stiftungsvorstand das uneingeschränkte Vertrauen aller maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V genießt.

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE kann gerne die Anregung des Bundesrates aufgegriffen werden, den Stiftungsvorstand geschlechterparitätisch zu besetzen.

  1. Finanzierung der Stiftung

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist das Gesamtbudget der Stiftung ausreichend bemessen. Auch die in § 65 b Absatz 11 n.F. SGB V vorgesehene Dynamisierung des Budgets ist begrüßenswert.

Als problematisch ist allerdings die im Gesetz vorgesehene Finanzierung der Stiftung durch die GKV-Spitzenverband und dem PKV-Verband anzusehen.

Zwar soll der GKV-Spitzenverband im Stiftungsrat nur ein Stimmrecht in Haushaltsfragen haben. Schon dieses Stimmrecht stellt aber eine nicht zu unterschätzende Einflussnahmemöglichkeit dar. Außerdem haben der GKV-Spitzenverband und der PKV-Verband bereits rechtliche Schritte mit Blick auf das Urteil des Bundessozialgerichts zur Zweckentfremdung von GKV-Mitteln für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angekündigt. Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE sollten die damit verbundenen rechtlichen Risiken ausgeschlossen werden. Die BAG SELBSTHILFE würde daher eine direkte Finanzierung der Stiftung aus Mitteln des Gesundheitsfonds klar favorisieren.

Düsseldorf, 27.02.23

 

 

Stellungnahme

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