Statement zur E-Rezept-Pflicht
„Die mit der Einführung des E-Rezepts eingeleitete Vernetzung von Arztpraxen und Apotheken ist sicherlich richtungsweisend. Sie setzt als Vorbote der Digitalisierung des Gesundheitswesens zweifellos ein Zeichen. Schade ist allerdings, dass die Konzeption des E-Rezepts die Patientenperspektive wesentlich außer Betracht gelassen hat. Dies führt neben verschiedensten Umsetzungsproblemen, auch zu einer Vielzahl von Nachfragen der Patient*innen in einem System, das ohnehin kaum Zeit für Beratung und Aufklärung bereitstellt. Hinzu kommt, dass die nicht von Patientenvertretungen systematisch getesteten Anwendungen nicht selten zu herben Enttäuschungen der Patientinnen und Patienten führen. Erwartung an die Funktionalitäten und tatsächlicher Mehrwert für den Patientenalltag klaffen noch sehr weit auseinander.
Die Konzeption der digitalen Bereitstellung der Rezepte für den direkten Zugriff der Apotheken auf die Verordnungen schließt nämlich Patient*innen weitgehend aus. Während es bislang möglich war, auf dem rosa Rezept zu prüfen, ob der Arzt alle relevanten Informationen berücksichtigt hat, kann der Patient ohne App nun nur noch abwarten, welche Medikamente der Apotheker wohl aushändigen wird. Stellt sich die Verordnung als unvollständig oder fehlerhaft heraus, ist ein erneuter Arztbesuch erforderlich. Zwar haben Patientinnen und Patienten grundsätzlich einen Anspruch auf Ausdruck des E-Rezepts. Diesem Anspruch kommen aber bei weitem nicht alle Ärzte nach, selbst wenn dies ausdrücklich gewünscht wird.
Auch der Vorteil, dass das E-Rezept durch die digitale Übermittlung ja einen Arztbesuch vermeiden könnte, wird häufig dadurch unterlaufen, dass Ärzte die Patienten quartalsweise aus Abrechnungsgründen einbestellen.
Insbesondere ältere Menschen sind oft mit neuen Technologien nicht vertraut und verstehen auch nicht, warum ein Verfahren, an das sie Jahrzehnte lang gewohnt waren, nun ohne erkennbaren Mehrwert umgestellt wird.
Verstärkt wird dieses Unsicherheitsgefühlt dadurch, dass immer wieder technische Probleme bei der Übermittlung der E-Rezepte auftreten. Dies kann bspw. dadurch begründet sein, dass die jeweilige Arztpraxis für die Verordnung eine Signatur verwendet, die erst Stunden später die Rezepte überträgt. Die Patient*innen bemerken dies erst, wenn sie in der Apotheke damit konfrontiert werden.
Auch bei der Einlösung von Rezepten für Seniorenheimbewohner gibt es erhebliche Probleme. Die Lösung darf jedoch nicht sein, dass ärztliche Verordnungen nicht mehr über die Patientinnen und Patienten eingelöst werden können.
Damit alle Patient*innen von den Vorteilen der Digitalisierung und somit auch vom E-Rezept profitieren zu können, ist es unerlässlich, die Technologie so zu gestalten, dass sie für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich, weitestgehend barrierefrei und nutzerfreundlich ist. Patientinnen und Patienten mit geringer digitaler Kompetenz bzw. Affinität dürfen von den Leistungen unseres Gesundheitssystem nicht ausgeschlossen werden. Es bedarf einer weitgreifenden Kommunikationsstrategie unter Einbindung der maßgeblichen Patientenvertretungen, die die gesamte Bevölkerung angemessen, zutreffend und umfassend informiert.“
Statement Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE zum Thema Erfahrungen mit der E-Rezept-Pflicht